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Zeitgemäße Bildung braucht Ressourcen

In den letzten Monaten hat Covid-19 die Missstände in deutschen Schulen verdeutlicht und durch Erfahrungen in der Gesamtbevölkerung zur allgemeinen Erkenntnis geführt, dass Schulen sich nicht nur für das kommende Schuljahr digital besser aufstellen müssen. Unabhängig davon, wie Unterricht nach den Sommerferien aussehen sollte und welche Rahmenbedingungen von Bildungsministerien aufgestellt sein werden, ist völlig klar, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das gilt sowohl für die zeitnahe als auch langfristige Entwicklung.

Vor kurzem haben wir als D64 gefordert, dass digitale Endgeräte als Grundversorgung gedacht werden müssen, so wie ein Internetzugang und Datenvolumen keine Hürde darstellen dürfen. Das sind Grundvoraussetzungen, um allen die kulturelle Teilhabe jederzeit zu ermöglichen. Das allein reicht aber nicht aus, um Schulen bei den notwendigen Veränderungen in der Digitalen Transformation zu unterstützen. Für D64 umfasst eine solche Route mehrere Meilensteine, die schnellstmöglich in Angriff genommen werden sollten:

Lehrer:innen sollten sich ihren pädagogischen Aufgaben widmen und nicht der Bereitstellung und Pflege digitaler Infrastrukturen. Es kann nicht sein, dass Lehrkräfte nur gesagt bekommen, was alles nicht geht und dann daraus selbständig Lösungen entwickeln sollen. Ihnen müssen attraktive und zuverlässige Systeme zur Verfügung gestellt werden. Digitale Infrastrukturen dürfen nicht von zufällig verfügbaren Einzelpersonen und Ressourcen abhängen, sondern brauchen professionelle Dienstleistungen.

Alle an einer Schule Beteiligten müssen sich im Rahmen der Digitalen Transformation fortbilden, austauschen und vernetzen können. Dazu sind ausreichende zeitliche Ressourcen für die Entwicklung, Umsetzung und wiederholende Reflexionen schulischer Konzepte und zeitgemäßer Unterrichtsformen notwendig. Das erfordert im regulären Schulalltag genügend Freiräume und Unterstützung. Wirksame und nachhaltige Schulentwicklung kann nicht on top stattfinden.

Deshalb fordern wir:

  • die verlässliche Bereitstellung und Pflege der digitalen Infrastruktur sowie Support durch professionelles Personal
  • ausreichend Zeit für Fortbildungen und Schulentwicklung im Rahmen des Schulalltags einzuräumen

In den alten Bildungsplänen vor 20 Jahren standen schon Ziele für eine Kultur der Digitalität, die nie erreicht wurden, weil die Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung nicht gegeben waren. Unser Bildungssystem benötigt deshalb einen grundlegenden Neustart. Gerade mit den Erfahrungen und Erkenntnissen der jetzigen Krise brauchen die Schulen bei den Herausforderungen des Paradigmenwechsels eine echte Chance, sich auf den Weg machen zu können. Dafür sind sowohl personelle als auch zeitliche Ressourcen notwendig.

Was ist D64?

D64 ist die Denkfabrik des digitalen Wandels. Unsere Mitglieder sind von der gesamtgesellschaftlichen Auswirkung der digitalen Transformation auf sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens überzeugt und wollen diese progressiv und inklusiv gestalten. Dabei liefern wir Impulse um die digitale Transformation zum positiven Gelingen zu bringen. Wir sind uns einig, dass man eine Politik der Zukunft nicht mit Konzepten von gestern machen kann. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. wurde 2011 gegründet und ist gemeinnützig, überparteilich und unabhängig. Wir haben über 500 Mitglieder bundesweit, die sich allesamt ehrenamtlich engagieren und über das vereinseigene „digitale Vereinsheim“ organisieren. D64 bringt Expertinnen und Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Zivilgesellschaft, Bildung und Politik zusammen und bringt diese Expertise in die politische Debatte ein.

DigitalPakt Schule – es braucht mehr als Geld und Technik

Nach einer Einigung im Vermittlungsausschuss ist der DigitalPakt Schule am 21. Februar im Bundestag beschlossen worden. Damit werden in den nächsten fünf Jahren fünf Milliarden Euro aus dem Bund in den Bildungsbereich fließen, die hoffentlich nachhaltig investiert den Einstieg in eine vernünftige digitalen Infrastruktur in Schulen ermöglichen sollen. Aus Sicht von D64 ist das zwar wegweisend und zu begrüßen, kann aber nur ein Anfang sein. 

Vielmehr setzt sich D64 dafür ein, dass zeitgemäße Bildung nicht einfach als das zur Verfügung Stellen von Infrastruktur begriffen, sondern als grundlegender Wandel in der Herangehensweise an Bildungsfragen begriffen wird. 

So hatte die  Kulturministerkonferenz der Länder in ihrem im Dezember 2016 veröffentlichten Strategiepapier der Kultusministerkonferenz Bildung in der digitalen Welt sich auf einen verbindlichen Rahmen geeinigt, und richtig erkannt, dass es dafür vor allem neue erforderliche Kompetenzen und Voraussetzungen und ihre Förderung braucht. Gut zwei Jahre später stellt sich die Fragen, wie viel davon bisher jeweils umgesetzt wurde und ob  ein Investitionspaket genügt, um den kulturellen Wandel, der durch die Digitale Transformation nötig ist, auch im notwendigen Ausmaß im Bildungsbereich zu erreichen.

Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren meistens die Technik und ihr „Mehrwert“ in den Debatten über Digitales im Bildungsbereich im Mittelpunkt stand und dabei gerne der Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Kontext, der Kultur der Digitalität, verloren ging. Es wird nicht umsonst bevorzugt über Tablet-Klassen, Apps und Lernplattformen diskutiert. Welches Bildungsverständnis braucht es aber in einer Kultur der Digitalität? Was sich zumindest mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sagen lässt, ist, dass das Digitalisieren von Prozessen und Strukturen aus dem Buchdruckzeitalter nicht genügen wird.

Damit die über 730 000 Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland neue technische Möglichkeiten im Kontext des kulturellem Wandels wirksam und nachhaltig aufgreifen können, benötigt es neben der Technik auch physische, zeitliche und kognitive adäquate Räume. Dafür sind flache Hierarchien, Interdisziplinarität, grenzüberschreitende Vernetzung und Austausch notwendig, die leider auch die am schwierigsten zu erreichenden Veränderungen darstellen, weil es dabei um geistige Hürden, bzw. eine tief verankerte Haltung geht. D64 fordert deshalb, dass nach Verabschiedung des DigitalPaktes, dass

  • administrative Tätigkeiten an Schulen von dafür eingestelltem Personal übernommen werden, damit Lehrkärfte sich auf ihren Bildungsauftrag konzentrieren können und eine stets funktionerende digitale Infrastruktur aufgebaut und konstant gewähleistet werden kann.
  • auch Ressourcen bereitgestellt werden, die wirksame und nachhaltige Schulentwicklung im Laufe des Schulalltags ermöglichen. Hier schlagen wir die „20-Prozent-Zeit“ vor. Jeden fünften Tag, bzw. einen Schultag sollen Lehrerinnen und Lehrer frei vom Arbeitsalltag sich um eigene Projekte, im Rahmen von Schulentwicklung, kümmern können. Innovation braucht Freiräume.
  • Strukturen, Projekte und Veranstaltungen, die regional, grenzübergreifend und auch interdisziplinär Vernetzung und Austausch ermöglichen, unterstützt und gefördert werden.

Der Erfolg vom Auftakt mit den finanziellen Mitteln des DigitalPakts Schule wird von der Bereitschaft der jeweiligen Entscheidungsträger innerhalb der Länder und Kommunen abhängen, sich zu öffnen, transparenter zu agieren, regionale Potenziale in die Prozesse zu involvieren und attraktive Freiräume für die Entwicklung von wirksamen Konzepten und Innovation zu ermöglichen. Das kann nur in einem gesamtgesellschaftlichen Dialog und einer veränderten Haltung gelingen.

Dejan, Vorsitzender AG Bildung und Mitglied des Vorstands