Wer die Zukunft der Arbeit nur für eine Frage über Coworking-Spaces oder Arbeitszeitmodelle hält, hat vermutlich noch nie einer Diskussion über KI-Governance in Behörden beigewohnt. So diskutierten wir bei unserem Besuch bei der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft des BMAS am 3. September darüber, wie umfassend Technologie die Arbeitswelt und -alltag verändert. Das Gespräch machte vor allem deutlich: Fast alle Jobs werden sich wandeln. Doch wie kann auch der nächsten Generation ein kritischer Blick auf KI mit auf den Weg gegeben werden?
Eröffnet wurde der Termin durch die Präsentationen der Arbeit der Denkfabrik sowie unserer D64-Arbeit, der Grundwerte und AG-Standpunkte. Die drei Teams der Denkfabrik (Analyse & Praxis, Politik & Recht sowie soziale Technikgestaltung, Vernetzung & Dialog) verbinden dabei strategische Vorausschau, rechtliche Expertise und gesellschaftliche Gestaltung auf eindrucksvolle Weise. Sie spannen den Bogen von stark technikgetriebenen bis zu gemeinwohlorientierten Arbeitswelten. Für ihre strategische Vorausschau nutzt die Denkfabrik systematisches Horizon Scanning und Szenarienarbeit, um frühzeitig gesellschaftliche und technologische Trends zu erkennen und daraus – jenseits des engen Rahmens der Legislaturperioden – Politikansätze für die Arbeitswelt von morgen zu entwickeln.
In der AG „Zukunft der Arbeit“ konzentrieren wir uns wiederum darauf, wie der technologische Wandel die Arbeitswelt verändert, von KI und Automatisierung über die Plattformökonomie bis hin zu neuen Arbeitsmodellen. Dazu stellten wir unser laufendes Projekt, die Karte der „Future Spots“ vor, wodurch Orte und Arbeitsweisen der Zukunft wie das holokratische Arbeiten und die Viertagewoche am Beispiel einer konkreten Organisation / Unternehmen beleuchtet werden. Mehr dazu findet ihr hier.
In der anschließenden intensiven Diskussion wurde sichtbar, wie stark KI-Entwicklungen mit Machtdynamiken in der Arbeitswelt verknüpft sind. Dies fängt bereits bei der Erhebung der Datensätze an, die meist wenig divers und repräsentativ sind, und reicht bis zum Output der KI, in dem oft den Datensätzen zugrundeliegendes Gender Bias reproduziert wird. Für eine Vermeidung dieser Verzerrung braucht es inklusivere und transparentere KI-Systeme. Zu wenig wird bisher mitgedacht: wer entscheidet, wer profitiert, wer die Regeln macht. Ein zentrales Thema war auch die Diskrepanz zwischen KI-Nutzung am Arbeitsplatz und Regulierung: 60 Prozent der Beschäftigten nutzen schon KI, aber nur 20 Prozent der Unternehmen haben formalisierte Regeln.
Außerdem haben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte an unser Projekt Code of Conduct Demokratische KI ergeben, in dem D64 gemeinsam mit über 40 Organisationen aus der Zivilgesellschaft eine Selbstverpflichtung für den verantwortungsvollen Umgang mit KI entwickelt. Mehr zu dem Code of Conduct findet ihr hier. Während die BMAS-Denkfabrik sich mit tiefgreifenden Transformationen der Arbeitswelt befasst und den Blick auf neue Formen der Zusammenarbeit, Selbstbestimmung und sozialen Sicherung richtet, liegt wiederum der Fokus des Projekts Code of Conduct Demokratische KI auf der Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Beide Initiativen beschäftigen sich also mit der Frage, wie der Einsatz von KI gerecht und solidarisch gestaltet werden kann. Während die BMAS-Denkfabrik den Blick auf Arbeit, Mitbestimmung und soziale Sicherung richtet, zielt der Code of Conduct Demokratische KI noch stärker auf die Handlungsfähigkeit und Selbstverpflichtung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Auch die Denkfabrik bezieht Stakeholder aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ein, um Ideen zur Zukunft der Arbeitsgesellschaft zu entwickeln. Da auch hier der Austausch mit der Zivilgesellschaft ein zentrales Anliegen ist, freuen wir uns darauf, auch zukünftig gemeinsam Gestaltungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Fest steht: Wer über KI in der Arbeitswelt spricht, muss auch über Machtverhältnisse sprechen und damit über Mitbestimmung, Verantwortung und Gerechtigkeit. Denn was als technologischer Fortschritt verkauft wird, ist oft Machtverschiebung. Und was als Effizienzsteigerung durch neue Tools gefeiert wird, basiert auf Entscheidungen über Arbeitsplätze, Kompetenzen und Teilhabe, die wir genau im Blick haben sollten. Oder wie in der Diskussion deutlich wurde: „Die Verhältnisse werden selten von denen verändert, die sie kontrollieren. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und gemeinsame Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln.“ Wir freuen uns darauf, mit der Denkfabrik des BMAS weiter im Kontakt zu bleiben.