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D64 sucht Orte der Arbeit mit Zukunft. Interaktive Aktion. d-64.org

D64 sucht Orte der „Arbeit mit Zukunft“

Die Pandemie hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend verändert. Anstatt nach dem Ende der Pandemie wieder zum „status quo ante“ zurückzukehren, haben Organisationen, Städte und Länder auf der ganzen Welt die Pandemie als Chance gesehen, etwas Neues zu schaffen und nutzen die Veränderung der Arbeitswelt als einen Transmissionsriemen für gesellschaftlichen WandelD64 will diese Orte der „Arbeit mit Zukunft“ hier vorstellen und zeigen, wie Pioniere der Arbeit die Arbeitswelt von morgen gestalten wollen.

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Das DIGINOVA-Projekt hat seine Ergebnisse vorgelegt

Im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU wurde ein Projekt „Innovation for Digital Fabrication“ („DIGINOVA“) aufgelegt, mit der Aufgabe, das Potenzial der Digitalen Fabrikation in Europa zu bewerten und voranzutreiben. Am DIGINOVA-Projekt beteiligt waren fünf Universitäten, Forschungsinstitute wie etwa das Fraunhofer-Institut, und eine Reihe privater Firmen, darunter einige mit Expertise auf dem Gebiet der Nano-Technologie.

Die Ergebnisse dieses Projektes liegen nun vor. Es wurde eine „Roadmap“ erstellt, die eine Vorgehensweise zur Ausschöpfung der Potenziale und Vorteile des ganzen Feldes und Konzepts der Digitalen Fabrikation innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre umreißen soll.

Zum Verständnis dieser Potenziale sei die DIGINOVA-Definition für digitale Fabrikation vorangestellt:

„Digital Fabrication is defined as a new industry in which computer controlled tools and processes transform digital data design directly into physical products.”

Nach diesem Prinzip funktioniert auch der – mittlerweile ja schon recht populäre – 3D-Druck: Design-Files enthalten den Entwurf des herzustellenden Gegenstandes in Gestalt eines Schichtenmodells, den der 3D-Drucker dann durch sukzessives Aufbringen des Arbeitsmaterials in solchen Schichten umsetzt. Das wäre dann ein additives Verfahren; Digitale Fabrikation kann aber auch subtraktive Verfahren, und auch andere Materialien (bis hinunter zu Nano-Partikeln und sogar einzelnen Atom-Clustern) und Prozesse als im 3D-Druck gebräuchlich verwenden. Die Design-Files werden typischerweise über das Internet von global verfügbaren Datenbanken entsprechender Anbieter heruntergeladen und an die lokale Fabrikationsmaschine geleitet.

Die Experten des DIGINOVA-Projektes erwarten nun erhebliche Auswirkungen der Digitalen Fabrikation für die industrielle Fertigung:

  • Manufacturing will change beyond recognition
  • Established (analogue) fabrication methods and technologies will be replaced by Digital Fabrication technologies and solutions; this is expected to lead to a revolution in the manufacturing industry that needs to be anticipated, understood and supported
  • Digital Fabrication will lead to a radical paradigm shift in manufacturing
  • Manufacturing will evolve towards a global distribution of digital design and specification files that will form the basis of local production. The economical advantage of large scale production will decrease
  • Transformation to Digital Fabrication will contribute to the decrease of resource consumption and resource-intensive production, targeting low-carbon and zero-waste manufacturing

Der Kern dieses neuen Paradigmas der Produktion wird in der folgenden Zusammenfassung der Charakteristika der Digitalen Fabrikation deutlich:

  • On-demand
  • customized
  • personalized
  • zero-waste
  • no-stock
  • decentralized
  • fast turnaround
  • distribute & manufacture (statt manufacture & distribute)
  • clean & green
  • ease of use
  • user-centric design

Hinzuzufügen wäre dem:

  • zero lead time (keine Rüstzeiten)
  • no assembly required (keine Montage)
  • zero skill manufacturing (keine qualifizierte menschliche Arbeit erforderlich)
  • precise physical replication (digital implementierte und verfügbare Herstellungsprozesse sind präzise und verlustfrei replizierbar, und damit auch die durch sie repräsentierten physischen Objekte).

Statt des “Push-Modells” der industriellen Massenfertigung auf Lager und anschließenden Marketing-Aufwendungen zwecks „Push to Market“ macht Digitale Fabrikation das Modell der „Production on demand“ möglich. Die informationale und logistische Distanz zwischen Konsumenten und Produzent kann sich im Extrem bis auf Null reduzieren.

Paradigmenwechsel der Produktion

In der Gegenüberstellung des alten zum neuen Paradigma wird der Umfang des zu erwartenden Paradigmenwechsels deutlich:

„Heute werden die meisten Produkte hergestellt durch die Mittel der etablierten Infrastruktur der Massenproduktion. Dies beinhaltet traditionell umfangreiche Lagerhaltung, extensiven manuellen Arbeitseinsatz, große Kapitalinvestitionen, hohen Energieverbrauch, weite Transportwege, eine „Armee“ von Beschäftigten und die Annahme einer bestehenden hinreichend großen, homogenen Konsumentenbasis.“ (DIGINOVA)

Die Zukunft wird dagegen so aussehen:

„Es ist vorstellbar, dass Menschen in der Lage sein werden, ihre eigenen Produkte zu bestellen, zu definieren oder zu kreieren und lokal, vor Ort herzustellen, aus Materialien ihrer Wahl.“ (DIGINOVA) Es wird erwartet, dass additiv und lokal herstellbare Produkte langfristig durchaus in Qualität und Kosten mit konventionell hergestellten Produkten vergleichbar sein werden, sowie auch in Komplexität, Funktionsumfang und Leistungsfähigkeit („full functioning objects“). Eine Kostensenkung sei zu erwarten durch den Wegfall von Transportkosten für Halbfabrikate und Rohmaterialien, durch Einsparung von Rohmaterial im Fertigungsprozess, durch Wegfall von menschlicher Arbeit, von Marketing und den Kosten des Zwischen- und Endhandels. Letztlich werde es möglich sein, die Herstellungskosten auf Energiekosten, Materialkosten und Kosten der Information („Designs“) zu reduzieren, wobei diese unter Umständen als Open-Source-Software auch frei verfügbar sein könne.

Dieses neue Paradigma impliziert nun offenbar die längerfristige Wahrscheinlichkeit folgender tiefgreifender ökonomisch-sozialer Veränderungen:

  • Das Verschwinden der Industriefabrik
  • Das Verschwinden der entsprechenden Kapitalinvestitionen
  • Das Verschwinden der „Armies“ von Beschäftigten
  • Das Verschwinden von sekundärer Beschäftigung im Transportwesen und in zugeordneten Dienstleistungen wie etwa Marketing, Vertrieb und Handel sowie im Finanz- und Bankwesen

Abhängig vom Umfang, der Diffusionstiefe und –breite und der erreichbaren Leistungsfähigkeit und Reife der Digitalen Fabrikation können die Auswirkungen also in der Tat so tiefgreifend für Wirtschaft und Gesellschaft sich gestalten, dass von einer „Digitalen Industriellen Revolution“ mit Fug und Recht gesprochen werden kann.

Paradigmenwechsel der Ökonomie?

Wie wäre nun die Förderungswürdigkeit dieses Paradigmas zu ermessen? Einige Vorteile ergeben sich schon aus dem bisher gesagten (Vermeidung von Ressourcenverschwendung, bessere (individuellere) Produkte, neue Freiheit des Designs, neue (intelligente) Materialien, Wachstumsschub der beteiligten Branchen. Aber im Vergleich zum „alten“ Paradigma der Industrieproduktion innerhalb des ökonomischen Paradigmas von Wachstum und Vollbeschäftigung ergibt sich ein weiteres, prinzipielles, zentrales Argument.

Zur Bewertung komplexer Vorgänge mit einer inneren Entwicklungslogik ist es manchmal hilfreich, diese inneren evolutiven Prozesse in einem Gedankenexperiment bis an ihr theoretisches Maximum zu denken, auch wenn dies in der Realität in aller Vollkommenheit niemals erreichbar sein wird. Als ein solcher evolutiver, fortschreitender Prozess kann innerhalb des marktwirtschaftlichen Paradigmas der Produktivitätsfortschritt gesehen werden, der – jedenfalls in der Spätphase der Industrialisierung – vor allem durch Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik, also durch Optimierung der betrieblichen und zwischenbetrieblichen Prozesssteuerung erreicht wird. Hergestellt wird diese Technik (auch) durch Forschungsaufwand der Wissenschaft, und zwar in Deutschland der Wissenschaft Wirtschaftsinformatik, die seit ihrer Gründung 1972 nun von über 200 Professoren an deutschen Universitäten gelehrt wird. Als so ein gedachtes Maximum – als „regulatives Prinzip“ – dieses Prozesses der Produktivitätssteigerung wird in der Wirtschaftsinformatik die „Vollautomation des Unternehmens“ gesehen, die – zurückgehend auf den Begründer der Wirtschaftsinformatik in Deutschland, Prof. Peter Mertens – auch als ein bindendes und identitätsstiftendes „letztes“ Gestaltungsziel der Wirtschaftsinformatik angesehen wird (Wikipedia Wirtschaftsinformatik).

Was bedeutete aber nun das Erreichen der „Vollautomation“ von klassischen Industrieunternehmen für die umgebende Volkswirtschaft: offensichtlich würde sie aus kreislauftheoretischen Gründen zum vollständigen Erliegen und zum Stillstand kommen, denn den vollautomatisierten Unternehmen fehlte ja die kaufkräftige Nachfrage zum Absatz ihrer Erzeugnisse, und den beschäftigungslosen Haushalten das Einkommen.

Wenn es sich bei der „Vollautomation des Unternehmens“ nun per definitionem auch nur um eine gedanklich konstruierte Fiktion handelt, mit deren alsbaldiger Erreichung in aller Vollkommenheit nicht zu rechnen ist, mehren sich in letzter Zeit aber doch wieder die Stimmen, die vor einem Ansteigen technologischer Arbeitslosigkeit warnen, und hier – zur Erreichung eines erwünschten volkswirtschaftlichen Zustandes von „Arbeitsfreiheit“ statt Arbeitslosigkeit – zu politischen Korrekturmaßnahmen wie etwa Arbeitszeitverkürzungen, oder Transferleistungen unter dem Titel „Grundeinkommen“ raten. Da es sich bei diesen Produktivitätssteigerungen aber eben um einen progressiven Prozess handelt, ist der Moment gewissermaßen schon eingebaut, mit dessen Erreichen die erforderlichen Transferleistungen oder Arbeitszeitverkürzungen einen solchen Umfang erreichen müssten, dass es zunehmend aussichtlos erscheinen würde, den politischen Willen bzw. die erforderliche Gestaltungsmacht hierzu realisieren zu können.

Wie sähe dies nun aus innerhalb des Paradigmas der Digitalen Fabrikation?

Als eines der Charakteristika der Digitalen Fabrikation war oben genannt worden: “Manufacturing will evolve towards a global distribution of digital designs and specification files that will form the basis of local production”. Die Ökonomie hätte es also mit einer vollkommen anderen Basis-Architektur der wirtschaftlichen Mittelbeschaffung zu tun: statt der Produktion in spezialisierten gewerbswirtschaftlich operierenden Unternehmen und der Allokation der Güter über Märkte und Preise, gäbe es hier einen global verfügbaren Speicherort für Design-Files, die dann in lokaler Produktion zu Produkten instanziiert werden können. Sofern diese technische „Hardware“ allgemein zur Verfügung steht, in diese also rechtzeitig öffentlich investiert worden ist, und sofern die „Software“, also die Design-Files frei zur Verfügung stehen („Open-Source“), und sofern weiter die benötigte Energie zur Verfügung steht, entstünde das beschriebene Kreislaufproblem mit Stillstand der Marktökonomie eben nicht: wenn unterstellt wird, dass die maschinelle Ausstattung und Kapazität ausreichend sind, eine bestimmte volkswirtschaftliche Nachfrage eben vollständig maschinell zu bedienen, so wie dies die Idee der „Vollautomation des Unternehmens“ ja auch unterstellt, so wäre unter der Voraussetzung der System-Architektur mit globaler Verfügbarkeit von Design-Files und lokaler Produktion das ökonomische Problem sozusagen gelöst. Während unterstellte technische Vollkommenheit im marktwirtschaftlichen Paradigma also sozusagen in die Sackgasse der kooperationsunfähigen (oder zwangsweise überproduktiven) Ökonomie führen würde, würde technische Vollkommenheit im Paradigma der Digitalen Fabrikation – als dessen „regulatives Prinzip“ – eben zu diesem Zustand von „Arbeitsfreiheit“ führen, jedenfalls so weit maschinell exekutierbare menschliche Arbeit betroffen ist. Um noch diese Bemerkung hier anzufügen: da ein weiter Bereich notwendiger Arbeit jenseits der materiellen Produktion bestehen bleiben wird und auch neue Nachfrage und neue Arbeit entstehen dürfte (Stichwort Tertiarisierung), wird eine zu erwartende „Arbeitsfreiheit“ auch unter diesem Paradigma in Wirklichkeit eine Verlagerung des Beschäftigungsschwerpunktes in tertiäre Beschäftigung darstellen, die aber anders möglicherweise nicht zu erreichen sein wird.

Politische Werte und Ziele

Die SPD war während des weitaus größten Teils ihrer bisherigen Geschichte eine Arbeiterpartei; der 150-jährige Geburtstag der SPD im vergangenen Jahr gab Anlass, daran zu erinnern. Eine Arbeiterpartei vertritt die Interessen der Arbeiter und Angestellten in einer sich entwickelnden Industriegesellschaft, in der der industrielle Herstellungsprozess die Mitwirkung von „Armeen“ von arbeitenden Menschen verlangt. Emanzipatorische und fortschrittliche Politik hieß unter diesen Bedingungen: Wahrnehmung der Interessen der abhängig Beschäftigten, in prinzipiellem Konflikt mit den Interessen der Kapitaleigner und Arbeitgeber, durch Gestaltung humaner Arbeitsbedingungen in den Betrieben, durch Durchsetzung angemessener Bezahlung und Sozialleistungen, und durch Schaffung sozialer Sicherheit und des gesellschaftlichen Klimas eines stabilen modernen Sozialstaats.

Was ist heute emanzipatorische Politik? Der durch Digitale Fabrikation sich andeutende Paradigmenwechsel bedeutet: allmähliche Ablösung der Massenfabrikation, des „Push to Market“-Prinzips und der damit verbundenen Verschwendung auf Produktions- wie auf Konsumseite, Ablösung von Ressourcenverschwendung und Umweltbelastungen durch unnötige Logistik und irrwitzige Transportwege. Es bedeutete darüber hinaus in der Tat auch eine allmähliche Emanzipation von den urwüchsigen Zwängen der „Heteronomie der wirkenden Ursachen“, der prädominanten Knappheit der Überlebensmittel und vieler Zwänge der wirtschaftlichen Mittelbeschaffung überhaupt. Statt Wachstum, Wettbewerb und Vollbeschäftigung, was entweder immer unsinniger oder immer unmöglicher zu werden scheint: eher Suffizienz, nachhaltiges, begrenztes und rationales Produkt, und Verlagerung des Beschäftigungsschwerpunktes in „tertiäre“, eher kreative und weniger industrielle Beschäftigung.

Wären dies nicht Werte, die in der Tat ein erstrebenswertes Ziel eines sozialdemokratischen Weges nach „Vorwärts“ markieren?

Der Bericht des DIGINOVA-Projekts macht durchaus auch deutlich, dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Es sind eine Reihe technischer Herausforderungen identifiziert worden, die noch zu überwinden wären. Es ist auch eine politische und schulische bzw. universitäre Agenda formuliert worden, um den Gegenstand der Digitalen Fabrikation an Schulen und Universitäten als Curricula zu etablieren; ferner geht es auch um die Schaffung eines rechtlichen Rahmenwerkes, denn die so skizzierte Digitale Fabrikation von funktionsfähigen Geräten und Applikationen führt auch zu einem neuartigen und erweiterten rechtlichen Regelungsbedarf, ganz zu schweigen von den bereits viel diskutierten Problemen um Copy Rights.

Gegenwärtig sind die USA auf diesem Gebiet mit weitem Abstand führend. Auf dem Gebiet der Software-Entwicklung sind hierzulande ja immerhin international anerkannte Spitzenleistungen gelungen (etwa durch die Walldorfer Softwareschmiede SAP), aber – 2D war gestern, die Zukunft liegt in der Programmierung des 3-Dimensionalen.

In diesem Sinne: Viva la Revolution digital – für digitalen Fortschritt!

Obama und die Makers

President Obama Remarks at TechShop in Pittsburgh

Am 17. Juni hat Barak Obama den Techshop in Pittsburgh besucht. Obama hat auch eine Makerfaire im Weißen Haus veranstaltet, und in seiner State-of-the-Union-Address 2013 die Bedeutung des 3D-Drucks hervorgehoben („3D printing will revolutionize manufacturing“). Obama steht offenbar auf Makers und 3D-Druck! Aber er scheint doch nicht recht zu verstehen was der Sinn der Sache ist, wenn industrielle High-Tech-Werkzeuge nun für jeden erschwinglich und erreichbar werden: er träumt von einer Gründerwelle von Small Businesses, die sich dann gegenseitig mit im Techshop hergestellten Waren überschwemmen. Ja – brauchen wir das? Fehlen denn der Welt etwa Waren? Sind es denn nicht viel mehr die Absatzmärkte, nach denen händeringend gesucht wird?

Wenn Miniaturisierung und Flexibilisierung der Produktionsmittel vornehmlich dazu genutzt würden, das Warenangebot auf Märkten noch mehr zu erweitern, würde das auf die Dauer keinen positiven Wohlfahrtseffekt erzeugen können, keine stabilen und berechenbaren Bedingungen der „wirtschaftlichen Mittelbeschaffung“ und der Sicherung der individuellen Existenz. Der Sinn ist – auf lange Sicht – vielmehr der, dass immer mehr Menschen sich selbst damit versorgen (lassen) können: es entsteht so eine Kapitalbildung zur Gebrauchswertproduktion, zur Herstellung von Gütern des eigenen privaten häuslichen Bedarfs.

Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel: während in der 250-jährigen Geschichte der Industrialisierung die Warenproduktion immer mehr automatisiert worden ist, entsteht nun langsam ein Schwenk in Richtung Automatisierung der Gebrauchswertproduktion, die „Prosumation“ am Ort des Konsums. Jeremy Rifkin beschreibt das in seinem Buch „The Zero Marginal Cost Society“ so: „We are, it appears, in the early stages of a game-changing transformation in economic paradigms. A new economic model is emerging in the twilight of the capitalist era that is better suited to organize a society in which more and more goods and services are free”.

Im Moment gehen über 60% eines durchschnittlichen Einkommens für Wohnung, Küche und Kleiderschrank drauf. In Zukunft wird es möglich sein, Wohnung, Kleidung und Ernährung fast kostenlos verfügbar zu machen. Es wird möglich sein, jedem Menschen eine (fast) kostenlose Wohnung mit eingebauter Produktion für Bekleidung und (wer will) auch Verpflegung zur Verfügung zu stellen, und die Möbel wird man sich ebenfalls (fast) kostenlos um die Ecke machen lassen und abholen können.

Das ist die wirkliche Zukunft von Techshop, additive Manufacturing und Digitaler Fabrikation! Und das ist auch besser und klüger als ein Grundeinkommen, was nichts anderes als ein entwürdigendes Almosen wäre, dem ein Würde vortäuschendes Etikett angeklebt wird.

Wenn es richtig angestellt (und ein wenig gefördert und unterstützt!) wird, wachsen die Mittel heran, solche Lebensbedingungen zu schaffen. Auch die Energieerzeugung kann immer billiger werden, wenn es von den Kommunen clever angestellt wird. Auch die öffentliche Mobilität: Städte und Gemeinden können in der Zukunft mit selbstfahrenden Google-Autos sehr preiswerte Nahverkehrssysteme entwickeln.

Das heißt: es kann ein Angebot geschaffen werden, die Lebenshaltungskosten drastisch zu senken, und trotzdem ganz attraktiv auf der Höhe der Zeit zu leben. Wer sich dadurch nicht so sehr um die Kosten und den Nachschub sorgen muss, kann etwas kreativer mit der Frage umgehen, was er mit seiner Zeit und seinen Lebensmöglichkeiten anfangen will. Dann können auch phantasievollere und kreativere Geschäftsideen entstehen, als wenn immer die Umsatzzahlen im Vordergrund stehen müssen. Trotzdem kann so eine – wirkliche – Kreativwirtschaft entstehen. Zum Beispiel ja auch etwas ganz Handwerkliches! Oder etwas wirklich Freies und Künstlerisches.

Rifkin sieht die neue Art der Organisation des ökonomischen Lebens charakterisiert durch Überfluss, statt Knappheit. Sicherlich wird man trotzdem Verschwendung zu vermeiden suchen – und dennoch sind diese weitestgehend maschinell hergestellten Güter des persönlichen Bedarfs dann nicht mehr knapp.

Ist denn dann überhaupt noch etwas knapp? Sicherlich. Nämlich alle Dinge, Güter und Dienstleistungen, die eben nicht (komplett) maschinell hergestellt werden können, oder die überhaupt nicht vermehrbar sind; etwa all das, was die Ökonomen „Prestigekonsum“ nennen, oder was zur Bereicherung und Individualisierung des Lebens nach Gusto dazu gehört. Diese Dinge kosten Anstrengung – immer! Es ist von daher nicht zu befürchten, dass die Menschen in dem Sinne „alle gleich“ werden. Aber ein gewisser – von der Quantität her – für alle gleicher Anspruch einer Grundversorgung könnte so geschaffen werden, bzw. das Angebot einer solchen Grundversorgung.

Im Übrigen waren die Privatisierungsorgien der 90er der helle Wahnsinn – viel mehr Grundversorgung muss wieder in kommunale Verantwortung. Darum ist gegenüber den – wieder weitestgehend hinter verschlossenen Türen stattfindenden – TISA Verhandlungen größte Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten, die ja die Privatisierung von Dienstleistungen in noch weit größere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge vorantreiben wollen.

Genauso essentiell wichtig ist die Freiheit im Netz – das Internet, das Internet der Dinge wird sich zum Rückgrat einer freien Gesellschaft entwickeln, zum bidirektionalen Transportsystem von Informationen, und auch von Dingen aus Daten. Der freie Markt und das globale Kapitalinteresse brauchen – wie eigentlich schon immer – eine wirksame Kontrolle und ein öffentliches Gegengewicht. Sonst könnte es zu unvorhersehbaren Entwicklungen kommen – das sehen nicht nur der Papst in Rom und zahllose Crash-Propheten so.

Wer heute noch an die „Wachstumsperspektive“ glaubt, der wird seine Scheuklappen wahrscheinlich auch noch in der Badewanne tragen. Das Wachstum stößt von drei Seiten her hart an seine Grenzen: endende Ressourcen, gesättigte Märkte, und überbelastetes Klima. Eine vorausschauende Politik im Interesse der Menschen darf nicht nur die kurzfristigen Erfordernisse im Auge haben, und muss diese Grenzen anerkennen und berücksichtigen.

Kurzfristig, bis zum nächsten Ersten oder zum nächsten Quartal, braucht natürlich jeder die nächste Gehaltszahlung oder das nächste Projekt oder den nächsten Kundenvertrag. Der Rubel muss rollen. Aber der Umbau in eine langfristig und nachhaltig Wohlstand erzeugende Perspektive generiert ja auch Wachstum und Umsätze. Der Markt für 3D-Drucker sowohl für den Consumer Bereich als auch für industrielle Anwendungen wächst gegenwärtig geradezu explosiv, und es ist – trotz gelegentlicher Warnungen vor einem Hype – kein Ende in Sicht. Das Thema Additive Manufacturing und Digital Fabrication erobert die Universitäten, so etwa an der TH Darmstadt oder der Universität Würzburg mit seinem neu entstandenen „Center for Digital Fabrication“. Dessen Leiter Prof. Dr. Frederic Thiesse sieht den 3D-Druck erst auf etwa 10 Prozent seines Weges in den Privathaushalt angekommen – in der Gegenwart revolutioniert er eher noch die industrielle Fabrikation. Dennoch handelt es sich auf jeden Fall um eine Zukunftstechnologie – wie wäre es also mit einem Schulfach 3D-Druck und Digitales Design, wie in England bereits Realität? Wie wär es mit einer Makerfaire vor dem Reichstag? Oder vorm Brandenburger Tor?

Digitale Arbeitswelt – Immer erreichbar und doch freier?

Smartphones, mobile Office, Intranets, Arbeiten in der Cloud. Die Digitalisierung eröffnet uns Möglichkeiten, unsere Arbeit nach eigenen Bedürfnissen zu organisieren. Homeoffice, dezentrales Arbeiten und verstreute Teams sind heute problemlos möglich und scheitern nicht mehr an zu hohen Kosten. Trotzdem prägt die “gemeinsame” Arbeit in einem Büro die deutsche Beschäftigungslandschaft. Gleichzeitig klagen Menschen über Dauerstress durch ständige Erreichbarkeit. Ein Phänomen, dass auch Konzerne wie VW dazu bewogen hat, E-Mail-Push-Dienste an Mitarbeiter nach verlassen der Arbeit “abzustellen”.

Dieses Panel diskutiert, wie Unternehmen und Mitarbeiter gemeinsam Lösungen für eine digitale Arbeitswelt finden und wir gehen der Frage nach, welche Rahmenbedingungen kann, und darf die Politik für die neue, digitale Arbeitswelt schaffen – oder muss sie sogar?

Es diskutieren:

– Johannes Rosenboom
Leiter des Regionaloffice von Microsoft in Köln

– Stephan Noller
Geschäftsführer, nugg.ad

– Martin Ströhmeier
DGB Bildungswerk

Für alle Gäste besteht die Möglichkeit, an einer Besichtigung von Microsoft Deutschland teilzunehmen.

Ein großer Dank an Microsoft Deutschland, die uns die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen!

Einfach hier anmelden: Digitale Arbeitswelt – Immer erreichbar und doch freier?

Immer erreichbar und doch freier? Wie verändert die Digitalisierung unsere Arbeitswelt?

Smartphones, mobile Office, Intranets, Arbeiten in der Cloud. Die Digitalisierung eröffnet uns Möglichkeiten, unsere Arbeit nach eigenen Bedürfnissen zu organisieren. Homeoffice, dezentrales Arbeiten und verstreute Teams sind heute problemlos möglich und scheitern nicht mehr an zu hohen Kosten. Trotzdem prägt die „gemeinsame“ Arbeit in einem Büro die deutsche Beschäftigungslandschaft. „Homeoffice“ wird kritisch beäugt – es zählt die Anwesenheit im Büro mehr als der Output.

Gleichzeitig klagen Menschen über Dauerstress durch die ständige Erreichbarkeit. Ein Phänomen, dass auch Konzerne wie VW dazu bewogen hat, E-Mail-Push-Dienste an Mitarbeiter nach verlassen der Arbeit „abzustellen“.

Die einen freut dies – andere „leiden“ unter solchen Vorschriften.

Welche Rahmenbedingungen kann, und darf, die Politik für die neue, digitale Arbeitswelt schaffen – oder muss sie vielleicht sogar?

Der Verein D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. lädt ein zu einer Podiumsdiskussion in Würzburg am 12. September.

Mit uns diskutiert Doris Aschenbrenner, Landtagskandidatin der SPD und Fachfrau für das Digitale im Team von Christian Ude.

Nico Lumma, Co-Vorsitzender von D64: „Ich freue mich sehr auf die Diskussion mit Doris Aschenbrenner über die Zukunft der Arbeit, denn bei aller Euophorie über die neuen Möglichkeiten müssen wir auch im Blick haben, dass sich Erwartungen an die Mitarbeiter verschieben.“

Die Veranstaltung findet statt am 12. September um 18:30 im Café wunschlos glücklich in der Bronnbachergasse 22R in Würzburg. Parkmöglichkeiten sind direkt im Parkhaus „Mitte“ gegenüber des Cafés – oder auf der Talavera (Achtung – Roncalli gastiert – bitte Parkflächen beachten!) mit einem kurzen Fußmarsch (5 Minuten) zum Café.

Ach, und keine Sorge: es gibt auch ordentlich zu essen und zu trinken :)

Bitte hier anmelden: Immer erreichbar und doch freier? Wie verändert die Digitalisierung unsere Arbeitswelt?

Die Veränderung der Arbeitswelt – wird durch die Digitalisierung alles besser?

Das Thema “Digitale Arbeit” war bereits ein großes und spannendes Thema auf der re:publica 2013, bei der unter anderem unsere Teresa Bücker den Vortrag „Der Montag liebt Dich“ hielt:

Kommenden Montag veranstaltet D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt eine Podiumsdiskussion zum Thema “Die Veränderung der Arbeitswelt – wird durch die Digitalisierung alles besser?” Diskutieren werden:

  • Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und D64-Gründungsmitglied,
  • Petra Meyer, Organziational Development and Design Thinking Expert bei SAP Berlin,
  • Igor Schwarzmann, Co-Founder Third Wave GmbH,
  • Markus Albers, Journalist, Unternehmer und Sachbuchautor.

Veranstaltungsort ist das BASE_camp in der Mittelstraße 51-53, 10117 Berlin.
Anmelden kann man sich bei Facebook oder XING. Wir freuen uns über zahlreiches Erscheinen und Teilen.

Einladung: „Fluch und Segen einer digitalen Arbeitswelt“

In immer mehr Vorträgen und auf Podiumsdiskussionen wird über die „Digitale Arbeitswelt“ diskutiert. Dabei ist das Thema nicht neu. Bereits 1996 organisierte die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Tagung unter dem Titel „Unterwegs in die digitale Arbeitswelt?“. 16 Jahre später hat sich die digitale Welt nochmals fundamental verändert. Daher lädt der DGB Nordrhein-Westfalen zu folgender Veranstaltung ein:

„Fluch und Segen einer digitalen Arbeitswelt“
Dienstag, 23. Oktober 2012
ab 18:00 Uhr

KIT-Café Düsseldorf
Mannesmannufer 1B
40213 Düsseldorf

Digitale Arbeit ist kein Nischenthema mehr, das nur ein paar Freiberufler und Nerds betrifft. Smartphones, Tablet-PCs und Notebooks prägen den Arbeitsalltag vieler Menschen. Der technische Fortschritt führt dazu, dass wir zu jeder Zeit und an jedem Ort arbeiten können. Das bietet die Chance, selbstbestimmter zu arbeiten, unabhängig von starren Anwesenheitszeiten im Büro. Das Berufsleben lässt sich flexibel der individuellen Lebenssituation anpassen. Die Entwicklung hat aber auch Schattenseiten: Die ständige Erreichbarkeit führt zur Entgrenzung der Arbeit, eine klare Trennung zwischen Freizeit und Beruf scheint immer weniger möglich. Stress und die Beeinträchtigung der Lebensqualität können Folgen sein.Wie können wir die digitale Arbeitswelt so gestalten, dass sie zum Segen und nicht zum Fluch wird?

D64 ist Partner dieser Veranstaltung und lädt alle Mitglieder und Interessenten ein, daran teilzunehmen.

Programm:

  • Begrüßung
    Andreas Meyer-Lauber (Vorsitzender DGB NRW)
  • Input
    Valentina Kerst (D64, Zentrum für digitalen Fortschritt)
  • Diskussion mit
    Holger Meuler (ver.di)
    Olaf Wegner (Piratenfraktion NRW)
    Claudia Wiegand (Maschinenbautechnikerin)

Moderation: Guido Brombach

Anmeldungen bitte bis zum 15.10. an anna.janosch@dgb.de oder unter 0211 3683-127.

Kann E-Mail Ausbeutung sein?

Von Stephan Noller

Als vor einigen Wochen die Meldung durch die Nachrichten ging, dass der Volkswagen-Betriebsrat ein Abschalten der E-Mail-Dienste für die Mitarbeiter nach 18 Uhr durchsetzt, haben wir alle erstmal gelacht: „Verstehen das Internet nicht!“ „Wollen mit alter Klassenkampfrhetorik gegen die großartige Vernetzung ankämpfen!“ „Die armen Volkswagen-Mitarbeiter müssten mal nach Berlin kommen und mit Sascha im Cafe abhängen!“ Das war der Tenor, bei uns im Unternehmen.

Nach ein paar Denkminuten kam dann allerdings das Grübeln. Grundsätzlich halte ich nämlich viel von den Errungenschaften der Arbeiterbewegung und den etablierten Schutzmechanismen, die häufig von denselben Betriebsräten aufgestellt wurden. Natürlich vor allem in Fabriken — in der alten Welt, wo Stechuhren eingesetzt werden. Andererseits: in der ersten New-Economy-Blase um das Jahr 2000 habe ich eine Insolvenz selbst hautnah miterlebt. Der Schutz von Arbeitnehmern kann auch in digitalen Unternehmen ganz schlagartig sehr relevant werden.

Und so stellte sich die Frage, warum eigentlich die Ausbeutungssorgen der VW-Betriebsräte in unserer Branche nicht gerechtfertigt sein sollen? Weil wir alle viel lässiger und selbstbestimmter als die VW-Werker sind? Weil wir private E-mails schreiben oder bei der Arbeit facebooken dürfen, solange wir wollen? Weil die meisten von uns „Alles mit Internet“ einfach so geil finden, dass Schlechtes nur beim Abschalten und offline entstehen kann? Und dann die zahlreichen Studien — über Stress-Effekte durch Einführung von Blackberries und Co, oder über eine Burn-Out-Epidemie, die offenbar nicht nur Kohlebergleute trifft? Mein Fazit: selbst für mich als Durch-und-Durch-Onliner ist die Sache offenbar nicht so einfach zu fassen.

Auf unserem nächsten Firmen-Meeting habe ich dann das Thema einfach mal angesprochen — und zunächst (natürlich?) verwunderte Blicke geerntet. Nach und nach kamen dann interessante Aspekte ans Licht. Eine Kollegin erzählte, dass sie häufig einfach nicht widerstehen könne (man sei ja eh online) und die geschäftlichen E-mails am Wochenende anschauen müsse. Und wenn man sie gelesen habe, sei es halt auch kein langer Weg, eben eine Antwort zu schreiben. Auch wenn die Zeit nicht drängt und die Antwort bis Montag warten kann. Dadurch entsteht jedoch häufig eine Kettenreaktion — drei Leute stehen auf dem Verteiler, fünf weitere auf cc, der nächste schickt seinen Kommentar, weitere fühlen sich genötigt mitzumachen – eigentlich ohne Druck, aber letztlich schon, weil man nicht als „Wochenend-Blocker“ dastehen oder am Montag als einziger mit einer späten Antwort auffallen will.

Häufig werden am Wochenende oder nach Feierabend Themen in die Runde geworfen, die objektiv bis zum nächsten Tag Zeit hätten oder bis zum Wochenenanfang. Und klar ist natürlich auch, dass der Sog umso stärker ist, je „chefiger“ der Absender einer E-mail ist. Außerdem gehen die Mails vom Chef wiederum oft an größere Verteiler, die dadurch mehr Leute beeinflussen. Im Ergebnis beschäftigen sich viele Leute in Ihrer freien Zeit „ganz automatisch“ unnötig mit Arbeit.

Natürlich meldeten sich auch Kollegen zu Wort, die diese Art permanenter Erreichbarkeit und Diskussionsbereitschaft für absolut wünschenswert halten und nicht missen möchten – was die Sache natürlich noch komplizierter macht.

Was also tun? Unsere E-Mail-Server am Wochenende abzuschalten, geht nicht, sie stehen bei Google, und da wir für unsere Kunden 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche erreichbar sein müssen, brauchen wir ein Not-Kommunikations-System, das immer bereit steht. Mit bestimmten E-Mail-Betreffzeilen oder technischen Filtern („Dringend!“) zu arbeiten, um unwichtige E-mails zu erkennen, haben wir auch verworfen. Wenn man sich die Subtilität der Aufmerksamkeitsmechanismen oben ansieht, wird klar, warum – die meisten würden einfach nicht widerstehen können die email eben doch zu lesen – und sei es aus Sorge, dass alle anderen dies tun. Und ein formelles Regelwerk oder eine personelle E-mail-Kontrollstelle kam ebensowenig in Frage.

Als einzig sinnvoller Ansatz blieb der Versuch, die Email-Kultur über eine Verhaltensänderung bei denen zu ändern, die E-mails versenden: Kurz zu überlegen, ob die Kollegen im Feierabend oder im Wochenende sind, und ob die Sache jetzt wirklich dringend ist? Ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass eben nicht jeder souverän entscheidet ob er/sie jetzt freihaben will, sondern dass die Mechanismen subtiler sind.

Mir persönlich fällt das schwer. Denn gerade in „Nebenzeiten“ entstehen viele Gedanken, und ich neige dazu, E-mails mit „Müssen wir unbedingt machen!“ direkt und sofort an die Kollegen zu schicken. Aber ich gebe zu, dass ich das tue, um mich selbst zu erleichtern — bei mir ist die Aufgabe damit weg aus dem Wochenende. Dass sie andere unnötigerweise aus dem selbigen zu reißen droht, war mir bisher einfach kaum bewusst.

Darum haben wir vereinbart, aufmerksamer zu sein und unwichtige E-mails am Wochenende eben in den Entwürfen zu speichern, oder die Idee an anderer Stelle zu notieren. Das ist nicht leicht und man muss sich immer wieder disziplinieren — aber das E-mail-Aufkommen am Wochenende ist dadurch definitiv gesunken in letzter Zeit. Es gibt außerdem einen angenehmen Nebeneffekt: das Thema bekommt mehr Aufmerksamkeit, weil wir uns plötzlich eingestehen, dass es auch in Ordnung sein sollte, offline zu sein. Und dass die Mechanismen, die uns davon abhalten, häufig viel impliziter und damit auch bedrückender sein können.

Ob unsere selbstauferlegte Disziplinierung dauerhaft funktioniert, kann ich noch nicht sagen — Selbstkontrolle und Aufrufe zu gutem Verhalten ringen altgedienten Betriebsräten sicherlich oft nur ein müdes Lächeln ab. Aber wir müssen das Problem irgendwie lösen -– und solange es keine Arbeitszeitmodelle dafür gibt (die Ausgleich schaffen oder disziplinieren) oder aber technische Mechanismen, bleibt erstmal nichts anderes übrig, als das Problem so zu minimieren.

Bei uns im Unternehmen würde in dem Zusammenhang übrigens nie jemand offen von Ausbeutung reden. Aber vielleicht kommt die digitale Variante der Ausbeutung nur freundlicher und auf leiseren Pfoten daher — sitzt den Leuten dann aber umso fieser im Nacken und klaut ihnen ihre Zeit. Und natürlich ist es „unfassbar uncool“, solche Regeln auch nur zu diskutieren. Aber wie cool eine Sache klingt, sollte bei ernsthaftem Umgang mit dem Thema irgendwann egal werden. Ich habe bei der Diskussion mittlerweile den Eindruck, dass man sich alte Arbeiterdiskussionen in diesem Kontext durchaus noch einmal ganz genau ansehen könnte — auch wenn man sich in der Debatte dann urplötzlich an der Seite von Betriebsräten und VW wiederfinden könnte. Für mich als Unternehmer eine durchaus ungewohnte Position.

Ach und eines noch — wir sind zufällig eine Firma, die sich offenbar den „Luxus“ leistet, über solche Dinge nachzudenken. Und unsere Lösung ist mehr als brüchig. In vielen Unternehmen können sich die Leute vermutlich nicht darauf verlassen, dass ganz zufällig auch eine derartige Aufmerksamkeits-Diskussion geführt wird. Manche Firmen sind schlicht zu groß für unsere Lösung, oder arbeiten über zu viele Zeitzonen, als dass sie das Problem über Sender-Aufmerksamkeit lösen könnten. In diesen Fällen brauchen wir wohl härtere Lösungen — also vertragliche Mechanismen und Vergütungsmodelle, oder eben E-mail-Server, die Arbeitszeitregelungen kennen und die Mails nur zu büroüblichen Zeiten zustellen. Wir Digital-Heinis sollten jedenfalls aufhören, den Mythos zu nähren, wir hätten all das, wofür Gewerkschaften Jahrhunderte gekämpft haben, mit nur einem Klick überwunden — und sind nun allzeit glücklich mit unserer Arbeit für immer verwoben.

Es stimmt einfach nicht.

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Stephan Noller ist Mit-Gründer und Geschäftsführer von nugg.ad, einem auf Online-Werbung spezialisierten Unternehmen aus Berlin. Er hat die New Economy mitgemacht und im Dezember 2011 den Think Tank D64 mitgegründet.

Digitale Arbeit: eine positive Vision für die Sozialdemokratie

Am vergangenen Donnerstag hat Michael Schwemmle in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin erste Ergebnisse der Studie „Digitale Arbeit in Deutschland: Potenziale und Problemlagen“ vorgestellt. Die Studie wird zur Unterstützung der SPD-Gruppe in der Enquete-Kommission erstellt, sie soll in wenigen Wochen erscheinen. Folgend eine Kurzzusammenfassung der vorgestellten ersten Erkenntnisse und Schlussfolgerungen:

Die digitale Arbeit – in der Studie definiert als berufliche Tätigkeit mit digitalen Arbeitsmitteln und Arbeitsinhalten – macht in Deutschland mittlerweile den überwiegenden Anteil der Arbeit aus. Die Vorstellung, dass es sich bei digitaler Arbeit um ein Nischenthema handelt, das nur ein paar Freiberufler und Web-Worker betrifft, ist falsch. Es betrifft die deutsche Arbeiterschaft in ihrer Mehrheit. Denn digitale Arbeit ist grade besonders dort anzutreffen, wo abhängig beschäftigt gearbeitet wird, und ihre Bedeutung steigt stetig an. Es ist kein „Selbständigenthema“.

Was die digitale Arbeit derzeit insbesondere ausmacht, ist eine neue Qualität in ihrer Beweglichkeit, und zwar auf drei Ebenen: die Inhalte sind überall abrufbar, über Geräte, die überall mit hingenommen werden können, von Menschen, die immer mehr in Bewegung sind. Das Problem ist, dass diese Art Arbeit mit alten Gesetzgebungen und Regeln kollidiert. Obgleich die bestehenden Regelungen bislang eine bedeutende Schutzfunktion für Arbeitnehmer hatten, passen sie nicht mehr zu den Bedingungen einer neuen Arbeitsrealität. Ein Arbeitsrecht, das auf feste Orte, feste Zeiten und feste Jobs ausgerichtet ist, gilt natürlich für viele Beschäftigten auch heute noch. Der Anpassungsdruck steigt jedoch, das Arbeitsrecht auf neue Arten der Arbeit anzupassen. Dass diese Anpassung nicht einfach wird, behandelt der arbeitsrechtliche Teil der Studie (der bei der Kurzvorstellung nur am Rand behandelt wurde).

Sehr deutlich müssen die positiven Seiten der Digitalisierung der Arbeit dargestellt werden: mit der Digitalisierung wird es zum ersten Mal möglich, eine neue Art der Erwerbstätigkeit zu organisieren, in der Leute arbeiten, wo sie wollen, wie sie wollen, auf eine für sie persönlich angenehme Weise. Die Digitalisierung kann Arbeitnehmer von örtlichen und zeitlichen Fesseln befreien helfen und damit großartige Möglichkeiten für würdevolle und gute Arbeit schaffen. Die Tragweite dieser positiven Optionen muss in der Debatte viel stärker herausgestellt werden. Nach Oskar Negt steht im Kern von Freiheit bzw. Unfreiheit die Frage, inwieweit Menschen die Möglichkeit gegeben ist, über Räume und Zeiten zu bestimmen. Damit kann die digitale Arbeit mehr reale Freiheit in den Alltag von Beschäftigten bringen. Dieses historische neue Emanzipationspotenzial muss ein Kernthema für sozialdemokratische Politik werden. Es liefert eine für die Arbeitnehmer positive Vision von Freiheit!

Damit Beschäftigte diese Orts- und Zeitsouveränität aber auch wirklich verlässlich durchsetzen können, muss einiges geschehen. Bisher ist es nicht gelungen, diese positiven Möglichkeiten wirklich auszuschöpfen. Vorgesetzte oder Auftraggeber sind heute oft in einer mächtigeren Position, indem sie mit Zwängen, Fristen und hohen Erwartungen an die Erreichbarkeit die positive Vision in ihr Gegenteil verkehren. Ein Extrembeispiel dafür ist das aktuell viel diskutierte Negativbeispiel IBM, bei dem die „Verflüssigung der Arbeit“ fast alle Schreckensvisionen Realität werden lässt. Das Schlimme an einem Beispiel wie IBM ist, dass es die Sicht auf die positiven Möglichkeiten verstellt und als ständig zitiertes Abschreckungsbeispiel dient. Eine sinnvolle Debatte über die Vorteile digitaler Arbeit wird dadurch wirkungsvoll verhindert.

Damit ist klar, dass digitale Arbeit nicht allein durch Technik besser wird. Die Autonomie der Mitarbeiter muss gesichert und geschützt werden. Damit das gelingt, darf das Thema „digitale Arbeit“ nicht allein als ein Punkt unter „Netzpolitik“ einsortiert werden, wo sich webbegeisterte Netzpolitiker schlimmstenfalls mangels Interesse nicht zuständig fühlen. Außerdem geht es weit über die reine Netzbetrachtung hinaus und verlangt zugleich das Engagement von Arbeitspolitikern. Viele von ihnen fühlen sich aber ebenfalls nicht dafür zuständig. So droht ein Vakuum, weil Netz- und Arbeitspolitik nicht zusammen daran arbeiten. Anstatt sich zu bekämpfen, sollten sie in einer gemeinsamen Netzarbeitspolitik vereint daran arbeiten, die Vision guter digitaler Arbeit Realität werden zu lassen. Die SPD ist die einzige Partei, die dies glaubwürdig leisten kann. Damit bietet sich mit dem Thema „digitale Arbeit“ eine Chance für die SPD, eine neue Humanisierungsoffensive zu starten und die Freiheitsvision der digitalen Arbeit Wirklichkeit werden zu lassen.

Was gilt es zu tun? Zunächst sollten wünschenswerte Entwicklungen gefördert werden. Mögliche Aktivitäten sind die Subventionierung von Coworking Spaces und von Telearbeitsstellen, sowie mehr Arbeitsforschung in diesem Bereich. Zweitens muss das Bildungswesen dahingehend angestoßen werden, zu neuen Arbeitsrealitäten passende Fähigkeiten zu vermitteln – bis hin zur Fähigkeit, auch abschalten und nicht erreichbar sein zu können. Und drittens müssen Fragen der Regulierung diskutiert werden: an welcher Stelle sind arbeitspolitische Interventionen gefragt, wo funktionieren Kollektivverträge, weil die Gewerkschaften im Spiel sind, und wo greifen diese nicht, weil es keine organisierten Kollektive gibt? Weite Teile des Regulierungsinstrumentariums müssen auf den Prüfstand. Das ist eine langfristige Aufgabe, für die sich aber außerhalb der SPD kaum jemand wirklich glaubwürdig stark macht.

Drei Forderungen können zudem kurzfristig aufgestellt und verfolgt werden, damit eine Entwicklung im Sinne besserer digitaler Arbeit gelingt: Erstens, ein Recht auf Telearbeit, als gesetzlichen Anspruch während der Arbeitszeit. Zweitens, ein Recht auf Nichterreichbarkeit (oder zumindest Nicht-Reaktion) außerhalb bestimmter Arbeitszeitkorridore (durchaus auch in Anlehnung an die kürzlich bei VW in Wolfsburg getroffene Regelung zur Nicht-/Erreichbarkeit über Smartphones). Und drittens, ein Recht der prekarisierungsgefährdeten Soloselbständigen darauf, in die sozialen Sicherungssysteme einzutreten, unter Beteiligung ihrer Auftraggeber.

Soweit meine Zusammenfassung von Schwemmles ersten Ergebnisauszügen. Im Anschluss wurde dann noch intensiv diskutiert; die Diskussion fand zudem am Folgetag auch Erwähnung beim Netzkongress der SPD-Bundestagsfraktion im Reichstagsgebäude. Sobald die Studie veröffentlicht ist, werden wir hier noch einmal darauf hinweisen.