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Digitale Kinderarbeit verhindern – Kidfluencer schützen

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt sieht die Werbetätigkeiten durch Kinder in sozialen Netzwerken als zunehmendes Problem und fordert die Behörden auf, ihre Aufsichtspflicht stärker wahrzunehmen und für das Thema zu sensibilisieren.

Das Phänomen des „Kidfluencing“ beschreibt Influencer-Tätigkeiten von Kindern, die sogar schon als Kleinkinder Produkte vor teilweise Hunderttausende von Followerinnen und Followern bewerben. Die Zusammenarbeit mit Kidfluencern ist für Unternehmen höchst attraktiv, erreichen sie hier ihre Zielgruppen hierbei doch besonders genau. Die Belastung, der Druck und die Verantwortung, die für Kinder hierbei entsteht, darf jedoch nicht unterschätzt werden. Influencing ist Arbeit. Kidfluencing ist Kinderarbeit.

Was Kidfluencing von „klassischer“ Kinderarbeit unterscheidet und deshalb besonders gefährlich macht: Die Erziehungsberechtigten, die grundsätzlich für das Wohl des Kindes zu sorgen haben, haben nicht selten ein Eigeninteresse an der Tätigkeit ihrer Kinder oder instruieren diese sogar, weil die öffentliche Aufmerksam geschätzt wird und die Einnahmen der ganzen Familie zugutekommen.

Die rechtliche Lage ist eindeutig

Die rechtliche Lage ist jedoch klar: Jedenfalls wenn Kinder gegen Entgelt oder zu anderen wirtschaftlichen Zwecken tätig werden, handelt es sich um Kinderarbeit im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Solche Beschäftigungen sind für Kinder (bis zu einem Alter von fünfzehn Jahren) grundsätzlich verboten (§ 5 Abs. 1 JArbSchG). Sie können nur ausnahmsweise auf Antrag mit Zustimmung der Sorgeberechtigten von den zuständigen Aufsichtsbehörden erlaubt werden (§ 6 JArbSchG). Das gilt auch für Influencing!

Erik Tuchtfeld, Mitglied des erweiterten Vorstands von D64, weist jedoch auf ein Problem hin: „Viele Erziehungsberechtigte gehen fälschlicherweise davon aus, dass Kidfluencing ohne Weiteres erlaubt ist, weil es sich um ein Hobby im familiären Bereich handelt. Deshalb ist es ganz besonders notwendig, dass die Aufsichtsbehörden die Rechtslage aktiv durchsetzen!“ Doch dies erfolgt oft nur lückenhaft, wohl auch aufgrund mangelnder Kenntnis von den Tätigkeiten der Kinder und Jugendlichen in sozialen Netzwerken.

Außerdem haben die Bundesländer als Aufsichtsbehörden die Gewerbeaufsichten bestimmt. Da es aber um das Wohl von Kindern und Jugendlichen geht und insbesondere das Phänomen Kidfluencing auch stark in den privaten, familiären Bereich hineinwirkt, sollten die örtlichen Jugendämter stärker in die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen einbezogen werden.

Verantwortungsvolle Nutzung von Sozialen Medien

Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche verantwortungsvoll mit sozialen Medien aufwachsen können. D64-Mitglied Lilly Blaudszun unterstreicht: „Hierzu gehört selbstverständlich auch das aktive Sich-Bewegen in sozialen Netzwerken, hierzu gehört auch das Erstellen von Memes, Videos und vielem mehr. Nicht dazu gehören darf aber eine Ausbeutung von Kindern und jungen Erwachsenen, auf deren Schultern in der Folge die Verantwortlichkeit für den Erwerb der ganzen Familie liegen kann.“

D64 fordert die zuständigen Behörden deshalb auf, die staatliche Aufsicht zu intensivieren und durch öffentliche, großangelegte Kampagnen über das Problem und die Rechtslage zu informieren und sensibilisieren.

 

Weiterführende Informationen:
Julia Carrie Wong, ‚It’s not play if you’re making money‘: how Instagram and YouTube disrupted child labor laws, The Guardian, 24. April 2019
Stephan Dreyer, Claudia Lampert u.a., Zwischen Spielzeug, Kamera und YouTube: Wenn Kinder zu Influencern (gemacht) werden, Deutsches Kinderhilfswerk, 2019

D64 stellt 10 Forderungen für eine bessere Startup-Förderung vor

Startups sind ein zentraler Bestandteil, wenn es darum geht digitale Innovation und ein zukunftsfähiges ökonomisches Umfeld zu gestalten. In Deutschland gibt es allerdings noch erheblichen Aufholbedarf, wenn es darum geht, Startups nachhaltig und angemessen zu fördern. Dies war Anlass für uns, in einem internen Prozess Forderungen an die Politik zu entwickeln, die helfen sollen, Startup-Förderung in Zukunft effizient und ertragreich zu gestalten.

Grundsätzlich für eine progressive Gründungskultur sind aus unserer Sicht die Prinzipien Inklusivität, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Aus diesen ergeben sich die zehn Forderungen und Maßnahmen, die wir in unserem Papier zu Startup-Förderung vorstellen möchten. Diese umfassen:

  1. Bürokratieabbau: Reduzierung des Verwaltungsaufwandes
  2. Innovationsförderung: Niedrigschwellige Startup-Förderung
  3. Bessere Förderung für Gründungen durch Nichtakademikerinnen und Nichtakademiker
  4. Mehr Gründerinnen braucht das Land
  5. Konkrete und ergebnisorientierte Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel
  6. Effizienter Rahmen für moderne Mitarbeitendenbeteiligung
  7. Chancenkonto schaffen, das Gründerinnen und Gründer auf Zeit von Sozialabgaben befreit
  8. Gründungsökosysteme flächendeckend ausbauen
  9. Moderne Arbeitszeitgesetzgebung für Startup-Unternehmerinnen und -Unternehmer
  10. Offensive für mehr Kapital in der Wachstumsphase

Mit Hilfe dieser Maßnahmen kann der Raum für eine zukunftsgewandte und produktive Startup-Kultur geschaffen werden. Wir möchten den Gesetzgeber dazu ermutigen, der Startup-Förderung einen höheren Stellenwert einzuräumen und das Potenzial von Unternehmensgründungen für das Vorantreiben der Digitalisierung nicht zu verkennen.

Das gesamte Positionspapier kann hier heruntergeladen werden: 10 Maßnahmen für eine progressive Gründungskultur

Die Ansprüche an die Corona-Warn-App müssen der neue Maßstab sein

D64 hat den Prozess rund um die Entstehung und Entwicklung der Corona-Warn-App in den letzten Wochen intensiv verfolgt und begleitet. Mit einem offenen Brief gemeinsam mit weiteren Akteuren aus der digitalen Zivilgesellschaft an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtsminister Helge Braun, äußerte der Verein datenschutzrechtliche Bedenken. Diese wurden akzeptiert und damit Abstand von dem zunächst von der Bundesregierung verfolgten zentralen Ansatz genommen.

Die Corona-Warn-App zeigt, dass große, digitale, öffentliche Projekte unter Einbindung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Rekordtempo möglich sind – und das unter Wahrung von Datenschutz und Datensicherheit. „Wir sind uns sicher: Datenschutz, Datensicherheit und Open Source ist der einzige erfolgsversprechende Weg. Der letztliche Prozess zur Corona-Warn-App muss in Zukunft der Maßstab für weitere ähnliche Projekte sein“, fordert die D64-Co-Vorsitzende Laura-Kristine Krause.

D64 stellt daher im Zusammenhang mit der Entwicklung von Software durch die öffentliche Hand folgende Mindestanforderungen auf:

1. Expertise einholen: bei der Umsetzung großer Projekte müssen sich Bund, Länder und Kommunen von verschiedenen Akteuren beraten zu lassen. Im Fall der Corona-App hätten sich durch die frühzeitige Einbindung externer Expertinnen und Experten viele Kommunikations- und Umsetzungsprobleme im Frühling vermeiden lassen können. Vielfältige Perspektiven und Expertise helfen den Aufwand für technische Herausforderungen richtig einschätzen zu können und viele gesellschaftliche Gruppen am Diskurs zu beteiligen.

2. Datenschutz und Datensicherheit: Es hätte kein Vertrauen in eine Anwendung gegeben, die sensibelste Daten zentral auf einem Server anhäuft und damit begehrtes Ziel von Angriffen wird. Die Europäische Union ist bei Software, anders als das Silicon Valley oder China, vielleicht nicht die Schnellste und Erste. Sie kann aber einen enormen Vorteil bieten, wenn Datenschutz und Datensicherheit strikt eingehalten werden. Dabei zeigt sich, dass diese beiden Eigenschaften der Corona-Warn-App einen enormen Schub gegeben und die Akzeptanz erhöht haben. Datenschutz und Datensicherheit sind keine Bremsen, sondern Antreiber.

3. Public Money, Public Code: Neben dem Plus an Datenschutz und Datensicherheit ist Transparenz elementar. Die Corona-Warn-App ist vollständig Open Source, d. h. jede und jeder kann den Quellcode lesen, bewerten und auch Verbesserungsvorschläge einreichen. Das muss fortan Standard sein. Wird Software aus öffentlichen Geldern bezahlt, muss sie auch öffentlich einsehbar sein. Public Money, Public Code!

„Die Kernbausteine für große Softwareprojekte sind damit klar: Datenschutz, Datensicherheit und Open Source.“, sagt der D64 Co-Vorsitzende Henning Tillmann. Weitere Lehren aus dem Arbeitsprozess hat er schon vor der Fertigstellung der App in einem Artikel für t3n zusammengefasst.

#D64diskutiert: Mit dem Gesundheitszertifikat zu mehr Freiheit? Diskussion zu Chancen, Risiken und Nebenwirkungen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat vor wenigen Wochen einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Einführung eines Immunitätsausweises für ehemals COVID 19-Erkrankte vorsieht. Nach starker Kritik von vielen Seiten wurde die umstrittene Passage zwar entfernt, die Diskussion dauert aber an. Zudem arbeitet ein Konsortium, unter anderem bestehend aus der Bundesdruckerei, der Universitätsklinik Köln und privaten Organisationen, bereits an einem „Digitalen Corona Gesundheitszertifikat“. Auch im Bereich Tourismus könnte ein digitaler Immunitätsausweis eine Rolle spielen. So überlegen etwa die Kanarischen Inseln nur Urlauberinnen und Urlauber einreisen zu lassen, die sich in Ihrem Heimatland einem Test unterzogen haben und ihre Immunität, etwa per App, nachweisen können.

Hier klicken, um zu den Livestreams zu gelangen.

Doch was würde solch ein Immunitätsausweis für uns als Gesellschaft bedeuten? Sollen Freiheitsbeschränkungen zukünftig nicht mehr für Immune gelten? Führt dies nicht zu einem Anreizsystem, sich besonders schnell mit Corona zu infizieren und konterkariert damit die aktuellen Bestrebungen zur Eindämmung der Pandemie? Aber könnten nicht auf der anderen Seite auch insbesondere Immune risikobehafteten Tätigkeiten, bspw. in Pflegeheimen und Krankenhäusern, übernehmen?
Gäbe es darüber hinaus andere digitale Hilfsmittel, um Menschen, die nachweislich negativ sind – oder immun sind – wieder mehr Freiheiten einräumen zu können?

Über diese Fragen diskutieren auf Einladung von D64 am 27. Mai 2020 um 19 Uhr per Webkonferenz auf d-64.org:

Peter Dabrock, ehem. Vorsitzender des Ethikrates und Theologe
Stephan Noller, Ubirch, Mithersteller des „Digitalen Corona Gesundheitszertifikats“
Lorena Jaume-Palasi, Gründerin The Ethical Tech Society
Karl Lauterbach, MdB und Epidemiologe
Lea Beckmann, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte

Der Link zum Stream wird auch auf unserem Twitterkanal (@D64eV) zu finden sein.

Die Zukunft des Internets: Mehr als Facebook, Google und Co

Dieser Text unseres Co-Vorsitzenden Henning Tillmann erschien als Gastartikel in der Zeitschrift „Politik und Kultur“ (06/2019) des Deutschen Kulturrats. Die Ausgabe kann hier als PDF-Fassung heruntergeladen werden. Die Zeitschrift verzichtet leider vollständig auf eine gegenderte Sprache.

Die technische Grundlage des World Wide Webs ist beispielgebend für Heterogenität und Gleichberechtigung: Jeder Inhalt ist über eine einzigartige URL ansprechbar. Diese URL mag zwar in manchen Fällen lang und kryptisch sein, aber ist die Adresse einmal abgespeichert, kann der Inhalt beliebig oft abgerufen werden – bis der Anbieter des Inhalts diesen vom Netz nimmt. Eben jene Dezentralität war der Grundpfeiler des Web der ersten 20 Jahre. Tim Berners-Lee, der 1989 das World Wide Web erfand, sagte zum 30-jährigen Geburtstag dem britischen Guardian: „Der entscheidende Faktor ist die URL. Das Entscheidende ist, dass man zu allem verlinken kann.“
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D64 mit Rechtsanwalt Jan Kuhlen in Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Bundestags vertreten

Seit mehr als zwei Jahren treibt D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. die Diskussionen rund um das Thema „Künstliche Intelligenz“ voran. Neben Veranstaltungen zum Thema, u.a. mit der damaligen Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, erstellte eine Arbeitsgruppe ein Thesenpapier über Grundwerte für Künstliche Intelligenz.

Jan Kuhlen, Foto: Norman Posselt

Die SPD-Bundestagsfraktion hat nun D64-Mitglied und Mitinitiator der KI-Initiativen von D64, Jan Kuhlen, als Sachverständigen für die neu eingesetzte Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale“ benannt. Jan Kuhlen ist Partner der gleichnamigen Kanzlei, die sich unter anderem auf Startups, deren Fokus auf der Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz liegt, spezialisiert hat. Er beriet in diversen Accelerator-Programmen unter anderem auch japanische und südkoreanische Startups.

„Künstliche Intelligenz wird die Digitalisierung auf eine bislang nicht gekannte neue Ebene tragen. Diesen Prozess gilt es frühzeitig politisch zu begleiten. Ich freue mich, meine beruflichen Kenntnisse einbringen und der Stimme von D64 in der Enquete-Kommission Ausdruck verleihen zu können“, so Jan Kuhlen.

Saskia Esken, SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied der Enquete-Kommission sowie von D64, freut sich auf die Zusammenarbeit: „D64 beschäftigt sich seit seiner Gründung mit Zukunftsthemen und entwickelt daraus Handlungsempfehlungen für die Politik. Jan Kuhlen hat den Verein und die Debatte zur Künstlichen Intelligenz maßgeblich vorangetrieben. Ich freue mich sehr, dass mit D64 zivilgesellschaftliche Aktuere maßgeblich mitarbeiten werden.“

Neben Jan Kuhlen wird die SPD Prof. Dr. Sami Haddadin, einen der führenden Robotikforscher Deutschlands von der TU München, Lothar Schröder vom Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di und Lena-Sophie Müller von der Initiative D21 als Sachverständige in die Enquete Kommission entsenden.

Wahlprüfsteine – Wie ernst nehmen die Parteien die Digitalisierung im Bundestagswahlkampf?

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. hat über 40 digitalpolitische Fragen an alle im Bundestag vertretenen Parteien (CDU/CSU, SPD, Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen), sowie FDP und AfD versendet. Diese Fragen sollen klären: Wie ernst nehmen die Parteien die Digitalisierung in der kommenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestags?

„Während bei vielen Wahlprüfsteinen oder Vergleichen wie dem Wahlomat digitalpolitische Fragen höchstens angekratzt werden, wollen wir es genau wissen“, erläutert D64-Mitglied und Initiatorin des Vorhabens, Lena Stork. „Es gilt für die Parteien nun klar zu zeigen, wie sie die Themenkomplexe Digitale Bildung, Datenschutz oder Netzausbau angehen wollen“, so Stork weiter.

Die Parteien, die die Fragen per E-Mail erhalten haben, haben nun gut einen Monat Zeit, um auf die 41 Fragen zu antworten. So können die Parteien den Statements zustimmen oder diese ablehnen. Als Beispiele seien „Die Vorratsdatenspeicherung soll abgeschafft werden“, „Wir brauchen ein Ministerium für Digitales“ oder „Dienstanbietern soll es untersagt sein, Daten von unbeteiligten Dritten zu erfassen“ genannt.

„Die Digitalisierung ist das zentrale Zukunftsthema. Hier brauchen die Wählerinnen und Wähler klare Aussagen, welche Weichen die Fraktionen im Bundestag in den kommenden vier Jahren stellen wollen“, betont D64-Vorstandsmitglied Henning Tillmann. „Im Jahr 2017 erwarten wir von allen Parteien Zukunftskonzepte zu digitalpolitischen Fragen. Jetzt heißt es: Flagge zeigen!”

D64 wird alle Fragen und die Antworten der Parteien im August 2017 veröffentlichen.

Foto: CC0 (http://maxpixel.freegreatpicture.com/Bundestag-Architecture-Reichstag-Building-Capital-204771)

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: D64 beteiligt sich an Deklaration für die Meinungsfreiheit

Breite Allianz unterzeichnet gemeinsame Deklaration für die Meinungsfreiheit, darunter neben D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. mit dem cnetz – Verein für Netzpolitik e. V., mit LOAD e.V. und mit Digitale Gesellschaft e.V. erstmals alle vier digitalpolitischen Vereine unter einem Dach.

In Reaktion auf die Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) durch das Bundeskabinett am 5. April 2017 bringt eine breite Allianz von Wirtschaftsverbänden, netzpolitischen Vereinen, Bürgerrechtsorganisationen und Rechtsexperten ihre Sorgen um die Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs in Deutschland zum Ausdruck. In einer gemeinsamen “Deklaration für die Meinungsfreiheit” warnen sie vor den katastrophalen Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, sollte das NetzDG vom Bundestag verabschiedet werden.

Die Unterzeichner sind der Auffassung, dass eine politische Gesamtstrategie notwendig ist, um das Aufkommen von Hassrede und absichtlichen Falschmeldungen im Netz einzudämmen. Sie erkennen an, dass Handlungsbedarf besteht, aber der Gesetzentwurf genügt nicht dem Anspruch, die Meinungsfreiheit adäquat zu wahren. Im Gegenteil, er stellt die Grundsätze der Meinungsfreiheit in Frage.

Zu den unterzeichnenden Organisationen zählen:

  • Amadeu Antonio Stiftung
  • Bitkom – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.
  • BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V.
  • Bundesverband Deutsche Startups e.V.
  • Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.
  • Bundesverband IT-Mittelstand e. V. (BITMi)
  • Chaos Computer Club e. V.
  • cnetz – Verein für Netzpolitik e. V.
  • D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.
  • Digitale Gesellschaft e. V.
  • DJV – Deutscher Journalisten-Verband e.V.
  • eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
  • Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)
  • Internet Society, German Chapter (ISOC.DE) e.V.
  • LOAD e.V.
  • Open Knowledge Foundation
  • Reporter ohne Grenzen e.V.
  • Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V.

Weitere Unterzeichner sind:

  • Dr. Ulf Buermeyer, LL.M., Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)
  • Dr. Frederik Ferreau, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität zu Köln
  • Jörg Heidrich, Rechtsanwalt
  • Prof. Dr. Jeanette Hofmann, Politikwissenschaftlerin
  • Prof. Dr. Thomas Hoeren, Rechtswissenschaftler
  • Prof. Niko Härting, Rechtsanwalt
  • Jan Mönikes, Rechtsanwalt
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, Rechtswissenschaftler
  • Stephan Schmidt, Rechtsanwalt

Deklaration für die Meinungsfreiheit
in Reaktion auf die Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) durch das Bundeskabinett am 5. April 2017:

Meinungsfreiheit hat einen essentiellen und unabdingbaren Stellenwert in einer von demokratischen Werten geprägten Gesellschaft. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist als Teil der Kommunikationsfreiheiten wie auch die Presse- und die Rundfunkfreiheit in besonderem Maße geschützt. Das Recht auf Meinungsfreiheit findet seine Grenzen erst dort, wo die Rechte und die Würde anderer verletzt werden. Das Recht auf Meinungsfreiheit, aber auch seine Einschränkung, gelten dabei online wie offline.

Zuletzt ist der zulässige Umfang der Meinungsfreiheit in die Diskussion geraten durch den aufgrund zahlreicher Vorkommnisse hervorgerufenen Eindruck, absichtliche Falschmeldungen und Hassrede bestimmten oftmals den öffentlichen Diskurs. Um diesem Phänomen Herr zu werden, hat das Bundeskabinett das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) beschlossen, das vom Deutschen Bundestag noch vor dem Sommer verabschiedet werden soll. Vor diesem Hintergrund möchten die Unterzeichner dieser Deklaration ihre Unterstützung für die folgenden drei Grundsätze zum Ausdruck bringen:

  1. Gegen strafrechtlich relevante / rechtswidrige Inhalte muss effektiv vorgegangen werden können. Und zwar mit allen gebotenen und verhältnismäßigen, dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei ist es Aufgabe der Justiz, zu entscheiden, was rechtswidrig oder strafbar ist und was nicht. Auch die Durchsetzung solcher Entscheidungen darf nicht an einer mangelnden Ausstattung der Justiz scheitern. Internetdiensteanbietern kommt bei der Bekämpfung rechtswidriger Inhalte eine wichtige Rolle zu, indem sie diese löschen bzw. sperren. Sie sollten jedoch nicht mit der staatlichen Aufgabe betraut werden, Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Inhalten zu treffen.
  2. Die Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut. Sie geht so weit, dass eine Gesellschaft auch Inhalte aushalten muss, die nur schwer erträglich sind, sich aber im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bewegen. Die Demokratie nährt sich an einem pluralistischen Meinungsbild.
  3. Jede Gesetzgebung sollte sicherstellen, dass der Ausgleich verfassungsrechtlich geschützter Interessen hergestellt wird. Die Meinungsfreiheit jedes Einzelnen und die Informationsfreiheit aller darf nicht darunter leiden, dass gegen rechtswidrige oder strafbare Inhalte vorgegangen wird. Gerade bei solchen Inhalten, bei denen die Rechtswidrigkeit nicht, nicht schnell oder nicht sicher festgestellt werden kann, sollte kein Motto „Im Zweifel löschen/sperren“ bestehen, denn ein solches Vorgehen hätte katastrophale Folgen für die Meinungsfreiheit.

Der vom Kabinett beschlossene Entwurf eines NetzDG stellt diese Grundsätze in Frage, weil er staatliche Aufgaben der Rechtsdurchsetzung an Privatunternehmen übertragen würde. Die Androhung hoher Bußgelder in Verbindung mit allzu kurzen Reaktionsfristen verstärkt die Gefahr, dass sich Plattformbetreiber im Zweifel zu Lasten der Meinungsfreiheit und für die Löschung oder Sperrung solcher Inhalte entscheiden, die sich im Graubereich befinden. Die Prüfung der Strafbarkeit oder Rechtswidrigkeit eines Inhalts bedarf zudem regelmäßig einer genauen Betrachtung des Kontexts und der Intention einer Äußerung. Diese Aufgabe muss auch weiterhin von Gerichten übernommen werden.

Wir sind der Auffassung, dass eine politische Gesamtstrategie notwendig ist, um das Aufkommen von Hassrede und absichtlichen Falschmeldungen im Netz einzudämmen. Wir erkennen an, dass Handlungsbedarf besteht, sind zugleich aber der Ansicht, dass der Gesetzentwurf nicht dem Anspruch genügt, die Meinungsfreiheit adäquat zu wahren. Im Gegenteil, er stellt die Grundsätze der Meinungsfreiheit in Frage. Absichtliche Falschmeldungen, Hassrede und menschenfeindliche Hetze sind Probleme der Gesellschaft und können daher auch nicht durch die Internetdiensteanbieter allein angegangen werden – dafür bedarf es der Kooperation von Staat, Zivilgesellschaft und der Anbieter. Wir setzen uns daher für eine gesamtgesellschaftliche Lösung ein, durch die strafwürdiges Verhalten konsequent verfolgt wird, Gegenrede und Medienkompetenz gestärkt werden und ein die Meinungsfreiheit respektierender Rechtsrahmen für die Löschung oder Sperrung rechtswidriger Inhalte erhalten bleibt.

D64 startet mit Bundeswirtschaftsministerin Zypries Debatte über Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz hat sich zum Hoffnungsträger einer hochtechnologisierten Wissensgesellschaft mit immensen Herausforderungen für die kluge Analyse von Big Data entwickelt. Von selbstfahrenden Autos über Bots, die in England mit der Verwaltung kommunizieren bis hin zum Rechtsanwalt – plötzlich scheint es, als könnten selbstdenkende Algorithmen die meisten Aufgaben der menschlichen Arbeitswelt übernehmen. Der größte Technologiesprung seit der industriellen Revolution scheint unvermeidlich.

Als erster digitalpolitischer Verein überhaupt wird sich D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V. im Wahljahr 2017 ausführlich mit den zentralen Fragen um den Ungang mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. In mehreren Workshops wollen wir Positionen und politische Handlungsempfehlungen für die zukünftige Bundesregierung erarbeiten. Wir gehen dabei ohne Vorfestlegungen in die Themenreihe und laden somit alle Interessierten ein, dabei zu sein und gemeinsam mit uns an konkreten Ergebnissen zu arbeiten.

Wir freuen uns, in unserer ersten Veranstaltung am 25. März im Betahaus Berlin u. a. die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, begrüßen zu dürfen. Weitere Impulsgeber sind Prof. Dr. Judith Simon (Universität Hamburg), Dr. Dirk Michelsen (IBM Deutschland), Stephan Noller (ubirch) und Dr. Florian Hoppe (TwentyBn) und diskutieren über folgende Fragen:

  • Welche konkreten Anwendungsbereiche bietet maschinelles Lernen bereits heute? Welchen gesellschaftlichen Nutzen bringt die Technik mit sich?
  • Welche politischen Leitplanken brauchen wir, um den ethischen Anforderungen gerecht zu werden, ohne den gesellschaftlichen Nutzen der Technik zu gefährden?
  • Wie kann man aus dem technischen Fortschritt einen Wohlstandsfortschritt für Alle erzeugen?

Tickets für die Veranstaltung und der genaue Ablauf finden sich hier. Wir freuen uns über zahlreiches Erscheinen!

Presseakkreditierung: Bitte Mail an henning.tillmann (at) d-64 (punkt) org.

“Prinzip Freiheit auch in der digitalen Welt?” – Christian Lindner (FDP) zu Gast bei D64

Welchen Wert hat Freiheit im digitalen Raum und wie kann man diese Freiheit gegen staatliche und privatwirtschaftliche Zugriffe verteidigen? Wie kann Deutschland den Anschluss zur technologischen Weltspitze halten und was hat die Sharing Economy damit zu tun?

Über diese und andere Themen hat D64 am 26. Januar knapp zwei Stunden mit Christian Lindner, dem Bundesvorsitzenden der FDP, und etwa 70 Gästen im Maker Hub in Hamburg diskutiert. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Freiheit – Auch im digitalen Raum?” wollte D64 wissen, wie es die Freidemokraten mit der Freiheit im Digitalen halten und ergründen, wie diese Freiheit gefördert und geschützt werden kann.

Freiheit wird von zwei Seiten bedroht

Der FDP-Chef sprach sich gleich zu Beginn der Diskussion für eine “digitale Eigentumsordnung” aus, mit der das Recht über die eigenen Daten geregelt werde. Weil eine solche Ordnung noch ganz am Anfang stünde, werde die Freiheit des Einzelnen im Digitalen wesentlich durch zwei Akteure maßgeblich bedroht: Staatliche Organe auf der einen, privatwirtschaftliche Akteure auf der anderen Seite.

Lindner forderte mehr Transparenz: Wer wisse denn genau, was private Unternehmen mit Persönlichkeitsdaten genau mache? Eine solche Blackbox dürfe nicht sein, Unternehmen dürften nicht zu groß werden, um anderen die Freiheit zu nehmen.
Er sprach sich daher auch deutlich für eine EU-Datenschutzverordnung aus, die auch das Problem der Datenschutzarbitrage verhindere: Wer jetzt mit personenbezogenen Daten mehr machen will, als in Deutschland erlaubt ist, der ginge einfach nach Irland. Mit EU-weiten einheitlichen Standards könne man dieses Problem beseitigen.

“Ich will nicht digital abstinent sein, nur damit meine Freiheit gewahrt bleibt!” erwiderte Lindner zur Forderung eines Teilnehmers, der zu mehr Datensparsamkeit aufrief.
So befürwortete er z.B. die digitale Patientenakte, die in Notfällen Behandlungszeiten beschleunige und Doppel- und Falschbehandlung vermeide. Diese Daten dürften aber weder von Versicherungen noch von Arbeitgebern genutzt werden können.

Privatunternehmen zu beschränken könne für den Schutz von Daten jedoch nicht reichen. Auch staatliche Akteure seien hier eindeutig zu adressieren, das zeigten schon die Erfahrungen rund um den NSA-Skandal.
Nur ein europäischer Kryptostandard auf Open Source Basis könne die Bedrohung der Freiheit verhindern. Open Source deshalb, weil das ein Maximum an Transparenz gewährleiste.

Die Forderung der CSU nach der Einführung der Vorratsdatenspeicherung direkt nach den Anschlägen in Paris bezeichnete Lindner als “pietät- und würdelos”. Der Staat sei verpflichtet, die Privatsphäre des Einzelnen zu schützen und das beziehe sich insbesondere auch auf Metadaten: “Es gab Phasen in Horst Seehofers Leben, da hätte er nicht gewollt, dass seine Frau weiß, wann er wo gewesen ist!” Die CSU Forderung nach “maximaler Sicherheit” bedeute immer Verlust der Freiheit.

Und auch einem weiteren CSU Projekt konnte Lindner nichts abgewinnen: Die Maut sei vermutlich als “Racheakt” der Bayern für den österreichischen Nachbarn zu verstehen, darüber hinaus aus steuerlicher Sicht nicht hilfreich und aus Datenschutzsicht gefährlich. Man könne nicht davon ausgehen, dass es mit dem massenhaften automatisierten Scannen von Autokennzeichen bei dem Abgleich mit KFZ-Steuerdaten bleibe. Vielmehr sei zu befürchten, dass diese Daten später auch für andere staatliche Zwecke missbraucht würden.

Technischen Fortschritt nicht durch Recht von gestern verhindern

Das deutsche und europäische Recht bezeichnete Lindner mehrfach als “Recht 1.0” und forderte daher zeitgemäße Updates.
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