Arbeit im digitalen Wandel
Als D64 sehen wir die neue Arbeitswelt als wichtigen Faktor für den digitalen Wandel – von Regionen über Städte bis hin zur unmittelbaren Arbeitswelt. Doch wo finden wir Beispiele für innovatives Arbeiten?
Der Wandel, den wir in dem Beitrag Mehr als ein „Recht auf Homeoffice“: Die neue Arbeitswelt als Transmissionsriemen für gesellschaftlichen Wandel differenzierter betrachteten, beschleunigt sich zunehmend durch neue Einsatzformen von künstlicher Intelligenz und Big Data. Parallel hat die Corona-Pandemie dazu geführt, Arbeit zu flexibilisieren und aufgezeigt, wie Communities und Coworking neu gedacht werden können. Aus dem Großteil unserer heutigen Arbeit sind digitale Elemente wie etwa digitale Tools und agile, dezentrale Arbeitsweisen mit neuen Kommunikationsformen und automatisierten Aufgaben nicht mehr wegzudenken.
Neue Methoden der Zusammenarbeit und ein intelligenter Einsatz von Technologien können uns dabei stark unterstützen. Diesen Einsatzformen stehen wir nicht nur als passiv Nutzende gegenüber, sondern können und müssen sie aktiv mitgestalten. Falsch eingesetzt, können digitale Lösungen auch zur Belastung werden.
Unsere Auswahl
Im Folgenden fokussieren wir uns daher auf innovative Arbeitsorte, die einen wertvollen Beitrag zur Digitalisierung leisten, indem sie beispielsweise die Aspekte der Infrastruktur, Vernetzung und Zukunftsfähigkeit selbst richtungsweisend umsetzen. Dadurch tragen die Orte so dazu bei, die Digitalisierung im Sinne einer Arbeitswelt der Zukunft gestalten. D64-Expert:innen haben aussagekräftige Beispiele aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie Politik und Verwaltung ausgewählt, um aus den diversen Perspektiven dem Wandel der Arbeit zu begegnen.
Folgt uns auf eine digitale Erkundungstour:
1. Future Spot: Neulandia – Community-Aufbau für digitale Arbeit auf dem Land
So wird hier Digitalisierung gestaltet: Die Plattform Neulandia zeichnet sich durch kreative Modelle aus, wie Digitalisierung auch auf dem Land ihr Potential entfalten kann. Digital arbeitende Personen werden mit kleinen Kommunen vernetzt. Durch ko-kreative Prozesse und gemeinschaftsorientierte Bauvorhaben entstehen Gemeinschaften zwischen urbaner und ländlicher Welt. So kann die Wirtschaft auch abseits urbaner Zentren wertebasiert digital werden. Frederik Fischer, Gründer von Neulandia, formuliert den Ansatz der Initiative dabei so:
Noch vor der Pandemie waren viele Menschen nur sehr eingeschränkt frei in ihrer Wohnortwahl. Durch Remote Work sind völlig neue Lebensmodelle möglich. Davon können alle profitieren: Arbeitgeber, Arbeitnehmer und nicht zuletzt die ländlichen Räume. Das Auseinanderdriften unserer Gesellschaft ist nicht zuletzt auf die Stadt-Land-Disparitäten zurückzuführen. Wir begleiten daher Kommunen dabei, diesen Umbruch als Chance zu begreifen und in eine neue Willkommenskultur zu investieren. Probewohnen, Coworking, Dritte Orte – in den ländlichen Räumen erlebe ich vielerorts die Aufbruchstimmung, die mir gesamtgesellschaftlich noch fehlt. Lasst uns gemeinsam diese Chance nutzen und der Stadt-Land-Spaltung entgegenwirken.
Das macht die Arbeit innovativ: Durch Vernetzungsformate und lokale Kooperationen werden bestehende Strukturen und (soziales) Unternehmertum verknüpft. Durch das Konzept der Residencies wird Menschen aus Städten ermöglicht, auf dem Land zu leben und sich kreativ in ländliche Strukturen einzubringen.
Das nehmen wir für D64 mit: Der Fokus muss auf der Vernetzung und dem Aufbau von Communities liegen. Wandel kann nur vernetzt und gemeinsam erreicht werden. Gleichzeitig wird auf eine Verbindung zum Land hingearbeitet. Die Kluft der Lebenswelten muss abgemildert werden. Der Mehrwert von gemeinwohlorientierten Projekten, die zwischen Großstadt und ländlichem Raum verbinden, wird hier deutlich.
2. Future Spot: City Science Lab – Der Lern- und Forschungsraum der HafenCity Universität Hamburg
So wird hier Digitalisierung gestaltet: In Kooperation mit dem MIT Media Lab arbeitet das City Science Lab anhand von drei Themensträngen: Der erste ist die Multistakeholder-Zusammenarbeit in Form von Bürgerbeteiligung, Ko-Kreation, transdisziplinärer Forschung sowie wissenschaftlicher Begleitforschung. Im zweiten Themenkomplex, Daten und Modellierung, geht es um die Entwicklung von Open Source-Anwendungen, den Aufbau von Datenökosystemen, Geodatennutzung, Machine Learning sowie Szenario-Entwicklung. Narrative und Schnittstellen bilden den dritten Bereich. Sie entstehen in neuen Storytelling-Formaten, in der Ausgestaltung von Erlebnissen, Mapping und Visualisierungen sowie dem Kuratieren und Analysieren großer Datenmengen.
Das macht die Arbeit innovativ: Ein hoher Grad an Interdisziplinarität und Experimentierfreude erlaubt die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Stadt. Zusammenarbeit wird zwischen lokalen wie auch internationalen Gruppen gelebt. So können die Potenziale aktueller Themen wie urbane digitale Zwillinge, digitale Partizipation und smarte Regionen getestet und Erkenntnisse in begleitenden Publikationen offen zur Verfügung gestellt werden. Den ganzheitlichen Ansatz des Labs betont die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Heike Lüken:
Am City Science Lab der Hafencity Universität Hamburg verfolgen wir einen people centered approach der Stadtentwicklung: Wir entwickeln digitale Werkzeuge, die einen Beitrag für die nachhaltige Transformation urbaner Lebensräume, aber insbesondere für die in ihnen lebenden Menschen leisten. In unseren interdisziplinären Teams arbeiten Entwickler:innen, Stadtplaner:innen, Architekt:innen, Data Scientists, Soziolog:innen und Kulturwissenschaftler:innen. So entwickeln wir am liebsten gemeinsam mit verschiedenen Stakeholder:innen in ko-kreativen und gemeinsam gestalteten Prozessen digitale Tools, Modelle, Visualisierungen und Simulationen. Statt ‚empty innovations‘ zu erschaffen, wollen wir nachhaltige Lösungen kreieren. Denn nur im Austausch, unter Einbezug unterschiedlicher Perspektiven schafft man resiliente Städte und gute, digitale Anwendungen.
Das nehmen wir für D64 mit: Die künftigen Herausforderungen für urbane Systeme werden mit klimatischen, demografischen und strukturellen Herausforderungen konfrontiert sein. Städte als lernende Systeme könnten schneller auf neue Situationen reagieren. Dafür braucht es die Lern- und Forschungsräume der Zukunft. Idealerweise stärken digitale Kompetenzen, sie ermöglichen Menschen Berührungspunkte mit digitalen Anwendungen und stellen Wissen, etwa in adaptierbaren Open-Source-Anwendungen, zur freien Verfügung.
3. Future Spot: Publix – Ein Raum für starke digitale Zivilgesellschaft
So wird hier Digitalisierung gestaltet: Auf sechs Etagen stehen neben Büro- und Konferenzräumen auch Studios für redaktionelle oder zivilgesellschaftliche Vorhaben zur Verfügung. Angesiedelte Organisationen aus Journalismus, Wissenschaft und Non-Profit-Unternehmen können so ihre weitreichende Expertise hinsichtlich gesellschaftlicher Gruppen, Diskurse und Entwicklungen im digitalen Raum zusammentragen.
Das macht die Arbeit innovativ: Das von der Schöpflin Stiftung initiierte Projekt schafft einen einheitlichen Rahmen und gute Arbeitsbedingungen für Organisationen, die am Gemeinwohl und gesellschaftlichen Zusammenhalt, auch im digitalen Raum arbeiten. Sie können sich durch dieses Projekt besser vernetzen; ihre Arbeit zudem in Veranstaltungen oder Ausstellungsflächen für die Öffentlichkeit sichtbar machen.
Das nehmen wir für D64 mit: Durch den Aufbau und die Förderung von digitaler und physischer Infrastruktur gelingt es, Synergien nutzbar zu machen und an komplexen Fragen der digitalen Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu arbeiten. So werden Transparenz und digitale Teilhabe gefördert; diese verstehen wir als Grundpfeiler insbesondere im Rahmen unseres diesjährigen Jahresthemas Digitalpolitik faschismussischer gestalten.
4. Future Spot: Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft – Wo das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorausdenkt
So wird hier Digitalisierung gestaltet: Die Denkfabrik befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Themen sind dabei Beschäftigtenrechte, datengetriebene Geschäftsmodelle sowie die Entwicklung gemeinwohlorientierter KI. Trendanalysen und Monitoring machen Themen sichtbar, die bei Veranstaltungen und Publikationen beleuchtet werden und der informierten Politikgestaltung, etwa bei Beschäftigtendatenschutz oder sozialer Innovation dienen. Ana Dujić, Leiterin der Abteilung Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft, zeigt den einzigartigen Ansatz der Denkfabrik auf:
Wir denken die Digitalisierung konsequent und systematisch von den Menschen und ihren sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen ausgehend. Für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist es daher eine Frage der Demokratie, dass jede Technologie den Menschen in den Mittelpunkt stellen muss, denn es sollen möglichst viele Menschen von den Chancen neuer Technologien profitieren und an ihnen teilhaben. Aus diesem Grund nehmen wir in der Abteilung Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft neue technologische Entwicklungen und Berufsfelder genauso in den Blick wie Fragen des Schutzes von Beschäftigtendaten und der Regulierung dort, wo sie notwendig ist. Denn auch in einer digitalen Wirtschaft müssen Arbeitnehmerrechte, Arbeitsschutz, Mitbestimmung sowie weitere Anforderungen an gute Arbeit im Mittelpunkt stehen.
Das macht die Arbeit innovativ: Die Denkfabrik steht für einen multiperspektivischen Ansatz bei der Gestaltung neuer Lösungsansätze für die Arbeitsgesellschaft der Zukunft. Beispiele sind die Arbeit an diversen Forschungsprojekten, einer Civic Innovation Plattform oder dem KI-Observatorium, bei dem die Effekte von KI auf Arbeitsplätze festgestellt werden.
Das nehmen wir für D64 mit: Zukunftsfähige Politik braucht neue Kompetenzen und Netzwerke. Wie dies aussehen könnte, zeigt das BMAS: Durch ministerielle Strukturen, die mitlernen und besser zusammenarbeiten. Auch künftig werden wir die digitalpolitische Arbeit der Bundesregierung genau verfolgen und setzen uns als Stimme der digitalen Zivilgesellschaft bei Themen wie KI-Regulierung entschlossen ein.
5. Future Spot: GovTech Campus BW – Wo die Verwaltung der Zukunft entsteht
So wird hier Digitalisierung gestaltet: Der Campus in Baden-Württemberg ist Teil des GovTech Campus Deutschland e.V.. Hier können Forschung, Verwaltung, Start-ups und Lösungsanbieter im Rahmen einer gemeinnützigen Organisation, der Vereinsform, zusammenkommen. Neben einem Berliner Campus gibt es den Standort in Baden-Württemberg; Standorte in Hessen und Hamburg sind geplant. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung umfasst KI / Data (BW), SecurityTech (HE) und Cloud-Themen (HH).
Das macht die Arbeit innovativ: Bund, Länder, Technologieanbieter und andere Akteure begegnen sich in einer Entwicklungs- und Skalierungsumgebung, die die inhaltliche Auseinandersetzung mit digitaler Innovation für Verwaltungen leichter machen soll. Digitale und physische Community-Angebote ermöglichen die Vernetzung über föderale Ebenen hinweg.
Das nehmen wir für D64 mit: Es braucht dringend langfristig angelegte Lernstrukturen für den Umgang mit neuen Technologien für die öffentliche Hand. GovTech liefert einen Vorschlag, der Start-ups mehr Berührungspunkte mit dem öffentlichen Ökosystem schafft. Die Förderung der Ideenvielfalt und Bürokratieabbau im Start-up-Kontext begrüßen wir. Wir beobachten gespannt und hoffen, dass Open-Source-Angebote für eine zukunftsfähige Verwaltung im GovTech-Vereinsheim nicht zu kurz kommen.
Fazit
Die Betrachtung von Future Spots, den Arbeitsorten der Zukunft, hilft uns, Verbindungen zwischen digitaler und analoger Infrastruktur herzustellen. Dadurch können wir menschliche Tätigkeiten in innovativen Rahmenbedingungen sowie den Mehrwert in digitalen Produkten, Wissen und politischen Entscheidungen besser verstehen. Geschäftsmodelle mit neuem Wertekompass, neue Stadt-/Land-Beziehungen, innovative Forschungs- und Beteiligungsprojekte, eine gut vernetzte digitale Zivilgesellschaft und ein digitaler Staat bilden wichtige Voraussetzungen für die Arbeit der Zukunft. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt setzt sich nicht nur dafür ein, die Rahmenbedingung an zahlreichen Stellen inhaltlich mitzugestalten, sondern im Kontext Arbeit der Zukunft auch durch eine interaktive Karte zu inspirieren und auf die eigene Umgebung neugierig zu machen. Diese befindet sich derzeit in Überarbeitung und erstrahlt demnächst in neuem Glanz.