Skip to content

Das Urheberrecht ist (nicht) das Problem

Vor der Digitalisierung war das Urheberrecht nur für Experten ein Thema. Für die Mehrheit der professionell Kunst- und Kulturschaffenden nicht. Und für den Rest der Bevölkerung schon gar nicht. Die Kulturschaffenden hatten zwar damals wie heute formal...

Dieser Beitrag ist ein Kommentar von Leonhard Dobusch und Mathias Richel auf das Editorial von Olaf Zimmermann in der Zeitung „Politik & Kultur“ vom Deutscher Kulturrat e.V. Das Editorial von Olaf Zimmermann kann man auch schon länger im Netz nachlesen. Dieser Kommentar wird in der nächsten Ausgabe der „Politik & Kultur“ (Nr.02/12) abgedruckt.

Wir veröffentlichen ihn hier vorab, um im Netz, um das es ja auch im Kern geht, die Diskussion zu ermöglichen.

Vor der Digitalisierung war das Urheberrecht nur für Experten ein Thema. Für die Mehrheit der professionell Kunst- und Kulturschaffenden nicht. Und für den Rest der Bevölkerung schon gar nicht. Die Kulturschaffenden hatten zwar damals wie heute formal die Urheberrechte, in der Praxis aber sorgten Marktmacht der großen Verwerter und der Winner-take-all-Charakter der Kulturindustrie dafür, dass die große Mehrheit wenig bis gar nichts an ihren Urheberrechten verdiente. Brotlose Kunst kommt nicht von ungefähr. Nur wenige Glückliche konnten von ihrer Kunst leben und eine winzige prominente Minderheit hatte die Verhandlungsmacht für ein wirklich gutes Einkommen.

Für alle anderen hatte das Urheberecht noch weniger Bedeutung. Selber Werke herzustellen war teuer, sie zu verbreiten noch teurer. Gleiches galt für die Erstellung von Kopien. Vor dem Internet war es gar nicht so einfach, das Urheberrecht zu verletzen. Im Alltag der Masse der Bevölkerung spielte das Urheberrecht keine Rolle.

Heute haben wir das Internet und das Urheberrecht ist für beide Gruppen ein Thema. Zwar kann immer noch nur eine Minderheit von ihrer Kunst alleine leben, zwei Dinge haben sich aber verändert.

Einerseits sind heute so viele Menschen wie nie zuvor kulturschaffend tätig. Erstellung und vor allem Distribution von Kulturgütern ist so günstig wie nie zuvor. Neue Formen des Medienkonsums in sozialen Netzwerken und anderswo führen dazu, dass Nutzung von Kulturgütern immer mehr mit deren gleichzeitiger Verbreitung einher geht. Jugendliche tanzen zu ihrer Lieblinsmusik, filmen sich dabei mit ihrem Handy und verletzten das Urheberrecht, weil sie dieses Video mit ihren Freunden im Netz teilen. Urheberrechtsverletzung steht in der digitalen Gesellschaft an der Tagesordnung.

Andererseits glauben viele professionell Kunstschaffende in ebendiesen alltäglichen Urheberrechtsverletzungen den Grund dafür zu erkennen, warum sie von ihrer Kunst nicht leben können. Was vor dem Internet der Ungerechtigkeit der Kulturindustrie und deren Starprinzip zugeschrieben wurde, dafür wird heute „Gratiskultur“ und Urheberrechtsverletzung im Netz verantwortlich gemacht. Das mag im Einzelfall auch stimmen, in der Regel ist es aber falsch.

Für die Reform des Urheberechts bedeutet das dreierlei: Erstens, das Urheberrecht muss wieder unwichtig werden. Einem fairen Mediennutzungsalltag dürfen Urheberrechte nicht im Wege stehen. Deshalb braucht es auch in Deutschland dringend eine Fair-Use-Klausel, die Remix von Werken im Internet legalisiert. Zweitens, das Urheberrecht muss ein Versprechen einlösen, dass es auch vor dem Internet nicht erfüllt hat, nämlich für die Urheber da zu sein. Ein besseres Urhebervertragsrecht mit unabdingbaren Zweitverwertungsrechten wäre hier ein erster Schritt und würde dazu beitragen, dass Künstler für ihre Leistungen auch fair bezahlt werden. Im Gegensatz dazu nützt den Urhebern eine Schutzfrist weit über deren Tod hinaus nichts. Stattdessen behindert sie Künstler bei der Erstellung neuer Werke, weil die langen Schutzfristen Zugang zu vorhandenen Werken – dem Rohmaterial von Kreativität – behindern. Drittens, und das ist vielleicht das wichtigste, Kunstschaffende und Internetnutzer sind keine Gegner. Die Ungerechtigkeiten im Kulturbetrieb haben weniger mit dem Internet und viel mehr mit Marktmacht und Verteilungsfragen zu tun. Diese Probleme gilt es gemeinsam anzugehen – und das Internet kann dabei vielleicht sogar hilfreich sein.

Beiträge im Bereich „Diskussionen“ sollen zur – klar – Diskussion anregen.
Die Inhalte geben nicht unbedingt die Position des gesamten Vereins wieder.

D64-Logo_RGB-Cyberschwarz_Quadrat

D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

Informationen rund um den Verein werden durch den D64 Vorstand freigegeben und von der Geschäftsstelle publiziert.