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300 Gäste diskutieren über faschismussichere Digitalpolitik: ein Abend für digitale Freiheit und Gerechtigkeit

Rund 300 Köpfe aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft verwandelten am Montag den digitalpolitischen Frühjahrsempfang von D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V. in einen lebendigen Ideenaustausch zum Thema „Faschismussichere Digitalpolitik durch mehr Gerechtigkeit".
Erik Tuchtfeld, Svea Windwehr, Yasmin Fahimi, Judith Simon, Lena M. Stork und Anna Lob auf dem D64 Frühjahrsempfang. Bild: D64/Falko Ortolf
Bild: D64/Falko Ortolf

Berlin, 13. Mai 2025: Rund 300 Köpfe aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft verwandelten am Montag den digitalpolitischen Frühjahrsempfang von D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V. in einen lebendigen Ideenaustausch zum Thema „Faschismussichere Digitalpolitik durch mehr Gerechtigkeit“. Mit dabei: Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, und Prof. Dr. Judith Simon, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats – zwei starke Stimmen, die für eine wertegeleitete Digitalisierung stehen.

Unsere Vereinsvorsitzenden Erik Tuchtfeld und Svea Windwehr begrüßten die Mischung aus frischgewählten und erfahrenen MdBs, Köpfen aus Wissenschaft, Verwaltung, Journalismus und Wirtschaft. Der Frühjahrsempfang hat sich längst als Pflichttermin im politischen Berlin etabliert – ein Ort, an dem progressive Digitalpolitik nicht nur diskutiert, sondern aktiv gestaltet wird.

Foto: D64/Falko Ortolf

Im Fokus stand diesmal die digitalpolitische Weichenstellung unter der neuen Bundesregierung – und zwar vor dem beunruhigenden Hintergrund einer in Umfragen erstarkenden und vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD. Schon die Ampel-Koalition hatte unter dem Banner der „Sicherheit“ immer tiefere Eingriffe in unsere digitalen Grundrechte vorangetrieben. Doch was passiert mit diesen mächtigen Überwachungswerkzeugen, wenn sie in die falschen Hände geraten? Diese Frage treibt uns um, denn auch gut gemeinte Instrumente können schnell zu Waffen gegen die eigene Bevölkerung oder Teile davon werden.

Foto: D64/Falko Ortolf. Erik Tuchtfeld und Anna Lob stellen den Verein vor.

In diesem Spannungsfeld präsentierte D64 die Ergebnisse eines intensiven ersten Jahres unter dem Motto „Digitalpolitik faschismussicher“: In 12 Arbeitsgruppen bündeln unsere über 800 Mitglieder ihre Expertise, um als Brückenbauer der Zivilgesellschaft ein breites Bündnis an Organisationen durch Organizing und Infrastruktur zu stärken. Insgesamt hat der Verein drei Positionspapiere und etliche Stellungnahmen veröffentlicht. Dazu kamen die beiden Projekte Code of Conduct Demokratische KI und Vernetzung Neu Denken. Nach unserem Schwerpunkt auf digitale Freiheitsrechte im Vorjahr richten wir 2025 den Scheinwerfer auf „Gerechtigkeit durch Teilhabe“. Denn wir sind überzeugt: Eine klug gestaltete Digitalisierung kann die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität nicht nur schützen, sondern aktiv fördern.

Foto: D64/Falko Ortolf

Das diskutierten auf der Bühne auch Yasmin Fahimi und Judith Simon. In der vom ehemaligen Vorstandsmitglied Lena M. Stork moderierten Podiumsdiskussion brachte das Yasmin Fahimi auf den Punkt: „Wenn man realisiert, dass 40 % der Schüler:innen Zugang zu WLAN haben, heißt das ja auch, 60 % haben es nicht. Und das halte ich ja wirklich für ein dramatisches Problem.“ Später ging es bei ihr stark um Unabhängigkeit von amerikanischer Software. Dazu sagte sie: „Open Source ist ein wichtiges Thema für die Europäische Kommission, wo wir hier stärker vorangehen müssen, um hier nicht weiter in die Abhängigkeit von amerikanischer Software zu rutschen. […] In den USA greift Big Tech nach der Staatsmacht. Diese Allianz ist brandgefährlich, wenn die Ökonomie für sich beansprucht, Staatenlenker zu sein. Diese Wirtschaftslenker wollen den Staat abschaffen und den Wettbewerb abschaffen. Das ist die brandgefährliche Kombination, die wir hier haben.“

Judith Simon ergänzte mit Hinblick auf die Ausrichtung von Gerechtigkeitsfragen: „Substanzielle Gleichheit müsste das Ziel von Gerechtigkeitsvorstellungen sein.“ Mit Hinblick auf das Missbrauchspotenzial digitalpolitischer Maßnahmen durch faschistische Regierungen sagte sie: „Wenn ich Datenbanken anlegen will, z.B. von Menschen mit Autismus, dann ist das der erste Schritt zum Klassifizieren von Leuten. Eine Grundvoraussetzung für faschistische Macht. […] Je friktionsloser Systeme sind, umso weniger sicher sind vor dem Faschismus. Wie kann man dann digitale Systeme so gestalten, dass sie zwar einerseits reibungslos funktionieren, aber gleichzeitig sicher sind vor der Einflussnahme von Faschist:innen.“ Zuletzt gab sie den anwesenden Politiker:innen in Hinblick auf digitale Souveränität etwas mit auf den Weg: „Bei den Clouds jetzt auf Anbieter wie Palantir zu setzen, ist die grundlegend falsche Richtung. Dann bitte auch nicht von digitaler Souveränität sprechen.“

Erik Tuchtfeld zog am Ende des Abends ein zufriedenes Fazit:

Was mich heute besonders freut: Wir sprechen nicht mehr nur über die Gefahren, sondern über konkrete Alternativen. Gerechte digitale Teilhabe ist kein Luxus, sondern ein Bollwerk gegen Polarisierung und Radikalisierung. Wenn Menschen spüren, dass Digitalisierung ihr Leben verbessert statt kontrolliert, entziehen wir autoritären Strömungen den Nährboden. Daran arbeiten wir bei D64 mit Leidenschaft – konstruktiv, kritisch und kreativ.

Denn gerechte Teilhabe ist mehr als ein Schlagwort – sie ist unser Gegenentwurf zu einer digitalisierten Welt, in der Macht in den Händen einiger weniger konzentriert ist. Es geht um den Ausgleich struktureller Benachteiligungen, um digitales Wohlergehen für alle und um gleiche Zugangsvoraussetzungen in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft.

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D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

Informationen rund um den Verein werden durch den D64 Vorstand freigegeben und von der Geschäftsstelle publiziert.

Mitwirkende

Johann Lensing

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