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Maßnahmenkatalog zu Hasskriminalität: Richtige Intention, problematische Umsetzung

Im Februar verabschiedete das Bundeskabinett den Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, der in den kommenden Wochen parlamentarisch beraten wird. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt begrüßt die Grundintention der Bundesregierung, stärker gegen Hass, Rechtsextremismus und Antisemitismus vorzugehen,...
Photo by Jon Tyson on Unsplash
Photo by Jon Tyson on Unsplash

Im Februar verabschiedete das Bundeskabinett den Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, der in den kommenden Wochen parlamentarisch beraten wird. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt begrüßt die Grundintention der Bundesregierung, stärker gegen Hass, Rechtsextremismus und Antisemitismus vorzugehen, stellt allerdings gravierende Mängel in dem aktuellen Entwurf fest. Sollten diese im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht größtenteils ausgeräumt werden, fordert D64 die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, den Regierungsentwurf abzulehnen.

Der Maßnahmenkatalog greift einige relevante Problemfelder auf und steigert den rechtlichen Schutz von Kommunalpolitikerinnen und -politikern sowie Rettungskräften im Einsatz. Gewalt gegen diejenigen, die sich in ihrem Alltag für die Gemeinschaft einsetzen und mitunter ihr eigenes Leben riskieren, ist immer und zu jeder Zeit abzulehnen, sowie strafrechtlich zu verfolgen. Als Gesellschaft müssen wir uns geschlossen hinter diese Engagierten stellen.

Auch hinsichtlich digitaler Gewalt wird ein eklatantes Problem aufgegriffen. Für uns ist klar: Nur Löschen reicht nicht. Dadurch sind zwar die zum Teil strafrechtlich relevanten Inhalte nicht mehr öffentlich einsehbar, eine weitergehende, konsequente Rückmeldung an die Verfasserin oder den Verfasser und eine notwendige Strafverfolgung von Hass bleibt jedoch aus. Das bisherige juristische Vorgehen ist – obwohl es sich mitunter auch um Offizialdelikte handelt – immer noch zu aufwendig und komplex. Zudem fehlt es an einer Stärkung der Möglichkeiten für ein zivilrechtliches Vorgehen von Betroffenen, damit auch solche Persönlichkeitsrechtsverletzungen effektiver bekämpft werden können, die noch unter der Schwelle der Strafbarkeit bleiben.

Ein großes Versäumnis des 2017 eingeführten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ist die fehlende Verfolgung von Täterinnen und Tätern. Diensteanbieter können durch eine Meldung lediglich dazu aufgefordert werden, Inhalte zu sperren bzw. zu löschen. Neben vielen falsch gemeldeten Inhalten („Overblocking“) werden zwar strafrechtlich relevante oder persönlichkeitsrechtswidrige Inhalte entfernt, für den Täter bzw. die Täterin folgen jedoch zunächst keine weiteren Konsequenzen. Daher ist es ein richtiges Ziel, dass die Strafverfolgung grundsätzlich verbessert und Plattformen stärker in die Verantwortung genommen werden sollen.

Bekämpfung von Hasskriminalität darf nicht als Generalbegründung für mehr Überwachung dienen

Den Ansatz, dass Anbieter von Telemediendiensten – hierunter fallen Social Networks, Suchmaschinenbetreiber, Gaming Apps, Chat- & Datingdienste, aber auch Online-Medienanbieter (z.B. Podcasts & Foren) – Bestandsdaten der Nutzerinnen und Nutzern verdachtsunabhängig speichern und bei gewissen Straftatbeständen an das Bundeskriminalamt (BKA) generell weitergeben, lehnen wir als unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre ab.

Wir kritisieren scharf, dass es nicht einer Straftat bedarf, sondern bereits eine Ordnungswidrigkeit für die Herausgabe von Daten ausreicht. Hier ist eine grundrechtsschonende Umsetzung geboten, die dennoch die Ermittlungen ermöglicht. Wir schlagen vor, dass im Falle einer berechtigten Erstmeldung ohne bereits vorliegender richterlichen Anordnung nur die beanstandeten Inhalte und die Kennung des Nutzers (Accountname) an das BKA übergeben werden. Wenn von Seiten der zuständigen Ermittlungsbehörden eine Strafverfolgung bejaht wird, hinterlegt das BKA eine Anforderung beim Diensteanbieter, beim nächsten Login des entsprechenden Nutzers bzw. der entsprechenden Nutzerin, Daten wie z. B. die IP-Adresse weiterzuleiten. Da Hasskriminalität nur selten von „Wegwerf-Accounts“ begangen wird, wird eine Strafverfolgung nicht behindert.

Fraglich bleibt außerdem, wie die Herausgabe der Passwörter ablaufen soll. Diese müssen von den Diensteanbieter gemäß DSGVO und BSI verschlüsselt, genauer als Hashwert, gespeichert werden. Selbst wenn die Behörden in der Lage sind diese zu entschlüsseln, folgt häufig noch die Zwei-Faktor Authentifizierung. Eine Herausgabe von Passwörtern lehnen wir aus datenschutzrechtlichen Gründen vollumfänglich ab. Dies haben wir bereits hier ausführlich begründet.
Auch wenn die Weitergabe von SIM-PINs (und ähnliches) zwar schon in §13 TKG geregelt ist, würde die Gesetzesänderung eine Tür öffnen, die deutlich mehr Begehrlichkeiten entstehen ließe.
Die Auswirkungen des bis dato unklar formulierten Entwurfes wären fatal:
Entweder greift das Gesetz nur bei Anbietern, die Passwörter illegal ungehasht speichern und verfehlt somit seine Grundintention, oder erreicht eine Lenkungswirkung hin zu einer Abschwächung der Verschlüsselung und neuen Methoden, um auf Konten zuzugreifen. Oder aber er eröffnet, entgegen der politisch erklärten Intention, am Ende doch den Gerichten eine Auslegung, die wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2018 (Az: 2 BvR 2377/16), den Betreiber zur Entschlüsselung zwingen.

Wir als D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt fordern daher:

1. Ein mehrstufiges Prüfverfahren

Es ist zwingend notwendig, dass ein mehrstufiges Verfahren eingeführt wird: Sobald eine Meldung eingereicht wird, können Strafverfolgungsbehörden – nach einer Prüfung des Sachverhaltens und nur wenn ein hinreichender Verdacht für eine Straftat vorliegt – eine zukünftige Speicherung anordnen.

2. Schaffung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften

In jedem Bundesland sollten speziell ausgebildete und geschulte Staatsanwaltschaften – ähnlich dem ZAC in NRW – Cyberkriminalität zu ihrem Schwerpunktbedarf machen, um den TäterInnen und Taten im Internet mit den passenden technischen als auch rechtlichen Werkzeugen zu begegnen. Die Aktivitäten des Bundes sollten auf ihre Stärkung ausgerichtet sein, nicht auf die Schaffung weiterer Institutionen, die lediglich die bisherigen Mängel verwalten.

3. Verbesserung der Ausstattung von Polizeikräften

Neben den Staatsanwaltschaften muss auch Kriminalpolizei personell und sachlich besser ausgestattet werden. Polizeikräfte müssen in verschiedenen Disziplinen der Bekämpfung von Kriminalität im Netz ausgebildet und geschult werden. Wünschenswert wären zudem „Digitale Streifen“.

4. Keine Vorverlagerung von Strafbarkeiten

Die Vorverlagerung der Strafbarkeit auf Straftaten, die weder begangen, noch versucht wurden, geht zu weit. Der geplante Straftatenkatalog ist gründlich zu überprüfen, die gesamte Reform sollte eng mit den Beratungen des Änderungsgesetzes zum NetzDG zusammengefasst sein. Die in diesem Gesetzesvorhaben vorgeschlagenen Änderungen zur Schaffung eines Zentralregisters und der Einteilung und Speicherung von Profilen zu Gruppen lehnen wir zudem ab.

D64 ist die Denkfabrik des digitalen Wandels. Unsere Mitglieder sind von der gesamtgesellschaftlichen Auswirkung der digitalen Transformation auf sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens überzeugt und wollen diese progressiv und inklusiv gestalten. Dabei liefern wir Impulse um die digitale Transformation zum positiven Gelingen zu bringen. Wir sind uns einig, dass man eine Politik der Zukunft nicht mit Konzepten von gestern machen kann. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. wurde 2011 gegründet und ist gemeinnützig, überparteilich und unabhängig. Wir haben über 500 Mitglieder bundesweit, die sich allesamt ehrenamtlich engagieren und über das vereinseigene „digitale Vereinsheim“ organisieren. D64 bringt Expertinnen und Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Zivilgesellschaft, Bildung und Politik zusammen und bringt diese Expertise in die politische Debatte ein.

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D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

Informationen rund um den Verein werden durch den D64 Vorstand freigegeben und von der Geschäftsstelle publiziert.

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