Totalaufgabe der Privatsphäre oder emanzipatorische Kraft – Was ist von der Post-Privacy Debatte zu halten?

Die Mitgründerin des populären Bilderdienstes flickr Caterina Fake hat in einem Interview gesagt, die eher zufällige Entscheidung am Anfang die Bilder per default als ‚public‘ zu markieren, habe maßgeblich zum Erfolg von flickr beigetragen. Und in der Tat empfinden es offenbar viele flickr-user eher als Bereicherung ihre Bilder mit vielen Unbekannten teilen zu können, denn als Eingriff in ihre Privatsphäre. Jeff Jarvis und viele Apologeten der sog. Post-Privacy Bewegung gehen noch weiter und sehen einen Zusammenhang von (rigidem) Datenschutz und reaktionären/konservativen Kräften einer Gesellschaft (so z.B. auch in der Google-Streetview-Debatte). Und sie haben ein paar gute Argumente auf Ihrer Seite, z.B. das Öffentlich-Machen in vielen Fällen tatsächlich die gesellschaftliche Akzeptanz und Toleranz gefördert hat (z.B. Homosexualität im Militär). Auf der anderen Seite stehen die Verteter von ‚privacy by design‘, die fordern jegliches Sharing von Inhalten dürfe nur auf expliziten Wunsch des Users geschehen – damit wäre flickr sicherlich nur ein Fotodienst unter Vielen geblieben.

Also – verhindert Datenschutz unter Umständen evolutionäre gesellschaftliche Prozesse? Oder schafft er erst den sicheren Rahmen, in dem kritische Menschen frei operieren können?

14 Kommentare

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    Oliver

    3. Dezember 2011

    Die Jungen mögen immer noch ihre Privatsphäre. Zumindest an bestimmten Orten. Sie sagen nicht: „Mama, komm rein, wir ficken gerade.“

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      Paul

      5. Dezember 2011

      Na, ich denk mal, die Mama weiß es unter Umständen sogar zu schätzen, wenn sie weiß, wann sie besser nicht stören sollte.

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    Fred87

    3. Dezember 2011

    Public per default halte ich für gefährlich. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das ungewollt private Texte, Bilder im Langzeitgedächtnis des Internet eingehen.

    Radikale Post-Privacy Konzepte gehen da anscheinend einen anderen Weg: ist der Ruf erst ruiniert, surft es sich ganz ungeniert ;-)

    Gruss,

    Fredl

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    Fred87

    3. Dezember 2011

    ggfs. muss Mama dann auch gar nicht reinkommen, sondern kann sich die Kopulation ihres Sohnes dann als automatisch generierte Surfempfehlung im Netz anschauen.

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    Jon Doe

    3. Dezember 2011

    Datenschutz und Privatsphäre sollten ein Grundrecht per Default sein. Es steht ja jedem frei seine Daten selbst frei zugänglich zu machen, aber ich möchte das Recht haben dies zu entscheiden. Deshalb sollte Datenschutz und Privatsphäre generell erstmal bindend sein.

    D64 schickt ja alle Daten, welche diese Webseite betreffen, nach Amerika. Dort werden sie erstmal (4 Tage) gespeichert und verarbeitet. Halten sich diese Firmen an das Save-Harbor-Abkommen?

    Geraten einige D64-Mitglieder bei der Frage des Datenschutzes nicht in Interessenkonflikte?

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      Frank

      4. Dezember 2011

      @Jon Doe:
      D64 schickt *alle* Daten nach Amerika? Wo steht das? Die vier Tage beziehen sich auf die Kommentar-Spam Prüfung durch Akismet und dazu werden lediglich die Daten rund um abgegebene Kommentare in die USA geschickt.

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    Friedrich Bolle

    4. Dezember 2011

    Also – verhindert Datenschutz unter Umständen evolutionäre gesellschaftliche Prozesse?

    Es ist doch wohl eher so dass die Patentierungshype im IT Bereich dazu führt, dass evolutionäre gesellschaftliche Prozesse verhindert werden.

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    Martin

    5. Dezember 2011

    Mir persönlich geht die Post-Privacy – Debatte auf den Keks. Ich denke, wer seine Privatsphäre aufgibt und alles postet und immer auffindbar ist über Ortungsdienste – der wird etwas sehr wertvolles aufgeben – das er nie wieder zurück bekommt. Ich möchte da nur an Datensammlung – dessen Verknüpfung, deren Ableitung und Nutzung ansprechen. Die Generation Facebook wird sich eines Tages sehr krass umschauen. Es geht niemanden an was ich im Urlaub, Zuhause oder in meiner Freizeit mache. Auch Google-Streetview hat kein Recht!!! Meinen Hof und Garten ins Netz zu stellen – auch wenn sie es tun. Das Smartphone ist eine moderen Art von Ketten – mit denen immer und überall sichtbar ist wo man sich auffhält und woran man denkt. Der Roman 1984 ist näher als viele denken.

    Datenschutz und Privatsphäre sollten ein Grundrecht per Default sein – da schließe ich mich dem Vorrednet an.

    Man sollte den Menschen bildlich zeigen was es bedeutet – keine Privatsphäre mehr zu haben – und andere Menschen, Institution und Ämter alles über einen wissen oder jeder Zeit in Erfahrung bringen können… ich warte auf den Aufschrei, wenn die Mehrheit es schnallt.

  • Antworten

    Frank Hoffmann

    5. Dezember 2011

    Das Phänomen der verlorenen Privatsphäre ergibt sich aus der Vernetzung. Je mehr Personen mit einem zu tun haben und sei es nur indirekt über dessen/deren Freunde, so wird in der Regel auch etwas von einem Preis gegeben. So lassen sich auch Rückschlüsse daraus ziehen mit wem man im Kontakt stehst bzw. welche Interessen die andere Personen haben, die man kennt, unabhängig davon, ob dies bekannt gegeben wurde.

    Wenn man in seinem Freundeskreis eine Plaudertasche hat, die auf seiner Facebook-Seite alle Kontakte bekannt gibt und auf Fotos sämtliche Personen markiert hat, dann ist Privatsphäre-Knopf erst einmal für Dinge, die man nicht herausgeben wollte, nicht wirklich einsetzbar.

    Ich finde es sicherer seine Privatsphäre selber zu posten, bevor es ein anderer macht, denn dann können eigene Angaben falsch interpretiert und in die Welt hinaus gerufen werden.

    Jetzt wirkt Post-Privacy erstmal wie ein Schreckgespenst, aber es wird sich sicherlich in ein paar Jahren relativiert haben, so dass die Bedenken nur noch gering ausfallen werden.

    • Antworten

      Martin

      6. Dezember 2011

      Zitat: „Das Phänomen der verlorenen Privatsphäre ergibt sich aus der Vernetzung. Je mehr Personen mit einem zu tun haben und sei es nur indirekt über dessen/deren Freunde, so wird in der Regel auch etwas von einem Preis gegeben“

      Das ist wohl richtig – der springende Punkt ist nur, dass Gute Freunde oder Menschen mit Anstand nicht alles ausplaudern oder auch mal Dinge für sich behalten können (und dann auch mit der Zeit in Vergessenheit geraten) – das ist aber auch schon so vor 100 Jahren gewesen – das mit dem Weitersagen und Quatschen… ein Problem ist es aber, dass heutzutage !!!Alles!!! kommerzialisiert und ausgenutzt (oft auch negativ) wird. Außerdem ist das Geschreibsel in den sogenannten Web 2.0 für immer und ewig gespeichert und für jeden einsehbar. Und die Masse merkt garnicht wie von Tag zu Tag persönlich und umfassende Profile von ihnen erstellt werden… wenn solche Profile in falsche Hände kommen .. nicht auszudenken was man da alles mit machen kann.

      • Antworten

        Y.

        7. Dezember 2011

        Und was könnte man jetzt schlimmes damit machen? Welche horrorszenarien stellst du dir vor?

      • Antworten

        Frank Hoffmann

        7. Dezember 2011

        Meiner Meinung nach sollte jeder, der Angst davor hat, dass seine Daten von Fremden weiter verwertet werden auch keine E-Mails mehr versenden, wenn diese nicht auf dem Heimrechner sind. Genauso sollte man darauf verzichten Bonus- oder Rabattkarten zu verwenden. Hier werden auch Profile erstellt und ausgewertet.

        Facebook möchte mit den Nutzerprofilen Geld verdienen und gibt diese daher nur sehr zögerlich heraus, da sie als Kapital anzusehen sind. Wem ich was senden möchte, kann ich in bis zu einem gewissen Punkt selbst bestimmen.

        Gar nicht bestimmen, ob meine Daten gespeichert, verwertet oder gegen mich eingesetzt werden kann ich wenn es sich um staatliche Eingriffe handelt.

        Verdachtsunabhängige Datenspeicherung wird in solchen Diskussion, auch bei Datenschützern, zu selten thematisiert.

        Oft werden solche Firmen wie Google oder Facebook immer als die Bösen dargestellt. Wohin gegen der Staat wohl eine gute Instanz sein soll.

        Im Leben gibt es nichts umsonst, noch nicht einmal den Tod, denn der kostet das Leben.

        • Antworten

          Martin

          7. Dezember 2011

          Zitat: „Und was könnte man jetzt schlimmes damit machen? Welche horrorszenarien stellst du dir vor?“

          Naja, vor nicht alzulanger Zeit wurde noch davon geredet, das eine Realität wie „1984“ grauenhaft und nicht wünschenswert ist – eben totale Überwachung. Auch die Vorstellung oder das Bild „des gläsernen Menschen“ war abschreckend. Von Werbung zugepflastert zu werden ist schon nervig und es hat mich einiges an Aufwand gekostet, dass etwas einzudämmen – einfach in dem man mit dem Preisgeben von Daten sparsam ist. Das Horrorszenarium lautet: 1. Die Krankenkasse weiß was man täglich ist und bewertet die Lebensmittel als ungesund und stuft die Versicherungsprämie hoch. 2. Man kauft ein Produkt eines bestimmten Herstellers im Supermarkt – beim nächsten Einkauf wird man von jemanden persönlich angesprochen und erhält eine Probepackung eines anderen Produkts des gleichen Herstellers. 3. Man fährt mit dem Auto zum Bäcker – im folgenden wird die KFZ-Steuer erhöht, weil die persönliche CO2 Bilanz überschritten wurde. 4. Man wird persönlich in einer fremnden Stadt auf dem eigenen Smartphone begrüßt und man erhält eine Einladung oder ein Gutschein eines Kaffeeshops oder eines anderen Geschäfts, weil durch das Sammeln Treuepunkten bekannt ist was man mag und wo man den entsprechenden Laden findet. 5. Der Aufenthaltsort ist bekannt, weil man mit dem Smartphone einen QR-Code auf einem Plakat in einer bestimmten Stadt ausgelesen hat…. und so weiter… mehr Bespiele – es gibt noch krassere…. Erst heute kann man bei Heise folgendes lesen zitat: „Die sechste Version von Google Maps wird nicht nur die Orientierung auf Straßen und Plätzen vereinfachen, sondern auch in Gebäuden. Das verrät das „Google Earth and Maps“-Team in seinem Blog. Die Anwendung für Android Smartphones soll auch in vielen öffentlichen Bauwerken funktionieren und den eigenen Standort inklusive Etage anzeigen.“ Aktuell wird gesagt, dass Privatwohnungen davon ausgenommen sind, aber auch das ist nur eine Frage der Zeit.
          Wer seine Privatspähre gerne ins Web 2.0 stellen oder alles von sich preis geben möchte, der soll das tun. Spätestens wenn die Auswirkungen (die jetzt noch kaum zu spüren sind) zu Tage treten, wenn mal wirklich Daten ordentlich gematched und zusammengefühgt werden – dann sieht es schon wieder anders aus.
          Außerdem, wer sagt, das wir immer so eine Regierungsform haben wie aktuell? Wer sagt, dass die Gesetzt zum Datenschutz oder zur Datennutzung immer so beleiben wir aktuell? Ganz so blauäugig sollte man nicht durch die Welt gehen. Außerdem… Transparenz kann auch Schaden verursachen und zu Neid führen (wenn zum Beispiel ihr Büronachbar weiß was sie verdienen)… wie in der IT-Sicherheit sollte man auch privat (das ist meine Meinung) das Prinzip „Need to know“ verfolgen und sparsam mit dem Verteilen Informationen usw. umgehen. Mein Statement zu diesem Thema – mehr möchte ich hier nicht mehr dazu sagen.

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