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Gesetz gegen digitale Gewalt. "Identifizierungsmaßnahmen ohne Straftat sind eine erhebliche Gefahr für die Meinungsfreiheit von vulnerablen Gruppe". Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender. d-64.org

Gesetz gegen digitale Gewalt: D64 begrüßt Accountsperren und lehnt Ausweitung privater Auskunftsverfahren ab

Berlin, 12. April 2023: Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat ein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt veröffentlicht. Der progressive, digitalpolitische Verein D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt hält den Entwurf in Bezug auf das von der Gesellschaft für Freiheitsrechte entwickelte Konzept der Accountsperren für gut durchdacht. Die vorgesehene Stärkung privater Auskunftsverfahren geht aber zu weit. Diese Maßnahme soll bereits bei jeder behaupteten Verletzung absoluter Rechte, wie zum Beispiel unzutreffender Restaurantkritik, möglich sein. Das stellt eine erhebliche Gefahr für die Meinungsfreiheit dar und gefährdet vulnerable Gruppen.

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Porträtbild von Erik Tuchtfeld mit Text. Chatkontrolle: Private Kommunikation für alle! „Großeltern dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden, wenn sie Fotos ihrer Enkel per E-Mail an Verwandte schicken.“ Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender. d-64.org

Menschenrechte sind unteilbar – Private Kommunikation für alle

Berlin, 27.03.2023: Die Bundesregierung befindet sich weiterhin in der Ressortabstimmung zur Chatkontrolle. Augenscheinlich hält das Innenministerium dabei weiter an Vorschlägen wie der Überwachung privater, unverschlüsselter Kommunikation durch serverseitiges Scannen von Chats und persönlicher Cloud-Speicher fest. Es besteht die Gefahr, dass sich Deutschland beim Treffen der Ratsarbeitsgruppe Mitte April nicht mit der notwendigen Dringlichkeit gegen die geplante Überwachung unschuldiger Bürgerinnen und Bürger einsetzen wird. Weiterlesen

Sharepic von D64. Portrait von Erik Tuchtfeld. Im linken Drittel steht vor weißem Grund: D64 Zentrum für Digitalen Fortschritt. In den rechten beiden Dritteln steht vor hellblauem Grund: Faeser in der Pflicht: Chatkontrolle Stoppen. "Wir erhoffen uns von einer sozialdemokratischen Hausspitze eine Abkehr von der Innenpolitik der letzten 16 Jahre". Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender. d-64.org.

Bundesregierung plant Ende der privaten Kommunikation

Berlin, 13.12.2022: Die Bundesregierung befindet sich bis zum Ende des Jahres in der Ressortabstimmung zur Chatkontrolle. Nach Informationen des digitalpolitischen Vereins D64 laufen die Vorschläge des Innenministeriums weiterhin auf das Ende der Privatheit von Kommunikation hinaus. E-Mails, Messenger-Dienste und weitere Kommunikationsplattformen sollen anlasslos und massenhaft überwacht werden. Konkret soll Verschlüsselung durch Client-Side-Scanning (CSS) unterlaufen werden. Dies bedeutet, dass jeder verschlüsselte Chat, zum Beispiel Whatsapp- oder Signal-Nachrichten, auf den Endgeräten gescannt und bei Verdachtsmeldungen zur Überprüfung weitergeleitet werden soll. Außerdem sollen sowohl Uploadfilter und Netzsperren als auch extrem fehleranfällige künstliche Intelligenz eingesetzt werden. Unschuldige Bürgerinnen und Bürger werden so zu Verdächtigen, intime Austausche können von Dritten eingesehen werden.

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Ein Gruppenfoto von Erik Tuchtfeld, Anne Schwarz, Ralf Jäger, Lena M. Stork, Bendix Sältz, Philipp Marten, Verena Holtz, Monika Ilves

D64 wählt neuen Vorstand

Berlin, 08.11.2022: Am 5. November 2022 wählten über 100 Mitglieder des progressiven, digitalpolitischen Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e. V. auf einer Mitgliederversammlung in Erkner den Juristen Erik Tuchtfeld und die Kommunikationsexpertin Anne Schwarz zu den neuen D64 Co-Vorsitzenden. Anne Schwarz und Erik Tuchtfeld folgen auf Marina Weisband und Henning Tillmann, die sich nicht erneut zur Wahl stellten. Im neuen Vorstand sind zudem Schatzmeister Ralf Jäger sowie als Beisitzer:innen Anna Lob, Bendix Sältz, Lena M. Stork, Monika Ilves, Philipp Marten und Verena Holtz.

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D64 mahnt die Ampelkoalition und Nancy Faeser: Strafverfolgung im Internet auch ohne permanente Verletzung von Grundrechten möglich

Berlin, 20.09.2022: Der progressive, digitalpolitische Verein D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt begrüßt, dass der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 20. September 2022 erneut die Rechte von Bürger:innen gegen anlasslose Überwachung stärkt. Als Teil der Zivilgesellschaft setzt sich D64 seit mehr als zehn Jahren gegen die Vorratsdatenspeicherung ein. Die im Urteil genannten möglichen Ausnahmen dürfen in Deutschland nicht zur Regel werden.

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Sharepic - Marina - Anonymität

D64 begrüßt Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Login-Falle als Alternative zur Klarnamenpflicht

D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt begrüßt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die von Facebook verordnete Klarnamenpflicht – zumindest nach alter Rechtslage – als rechtswidrig einzustufen. Anonymität im Internet ist für viele die Voraussetzung für freie Meinungsäußerung. Nur im Einzelfall, dann wenn rechtswidrige Inhalte gepostet werden, muss effektive Strafverfolgung möglich sein. Das von D64 entwickelte und im Koalitionsvertrag verankerte Instrument der Login-Falle muss dafür nun schnellstmöglich eingeführt werden.

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#banBS – Globale Initiative fordert Verbot biometrischer Überwachung

Über 170 zivilgesellschaftliche Organisationen fordern gemeinsam mit D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt ein globales Verbot von Werkzeugen biometrischer Überwachung.
Solche Überwachunsgwerkzeuge zur Verarbeitung biometrischer Informationen, wie bspw. Kameras mit Gesichtserkennungssoftware, werden im öffentlichen Raum sowohl von Regierungen, Polizeien als auch Unternehmen eingesetzt. Das Ziel: Menschen sollen identifiziert werden, um bspw. Straftaten aufzuklären. Allerdings richten diese Technologien mehr Schaden an, als dass sie Probleme lösen.

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Fünf Forderungen an eine bundesweite Check-In-App zur Kontaktnachverfolgung

In der Diskussion um die Wiedereröffnung des Einzelhandels, der Restaurants, Bars, Museen und anderer Orte, an denen Menschen zusammenkommen, werden von der Politik und Öffentlichkeit auch flankierende Apps ins Spiel gebracht. Diese Apps sollen durch QR-Codes einerseits eine zettellose Registrierung, andererseits im Infektionsfall die schnelle Kontakt-Nachverfolgung sicherstellen. Beispiele für diese Dienste sind luca oder darfichrein.de.

Wir als D64 begrüßen im Allgemeinen Alternativen zur Erfassung von Kontaktdaten auf Zetteln, so wie es bisher während der Corona-Pandemie gängige Praxis ist. Digitale Dienste können datensparsamer sein, Daten vor dem Zugriff Dritter schützen, Stalking verhindern, sowie schnellere Reaktionen auf das Infektionsgeschehen ermöglichen und Cluster sichtbar machen.

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Gemeinsam für einen realistischen Beteiligungsprozess!

28 Stunden für einen 108-seitigen und 48 Stunden für 465-seitigen Referentenentwurf. Solche Fristen für Stellungnahmen sind für (teils ehrenamtliche) Vereine, Verbände und NGOs kaum zu stemmen und verhindern demokratische Teilhabe.

Aus diesem Grund sind wir, D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt, Mitunterzeichner des offenen Briefes „Angemessene Fristen statt Scheinbeteiligung“ an alle Bundesministerinnen und -minister. Darin fordern wir als breites Bündnis die, in §47 Abs. 3 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgelegte, „rechtzeitige Beteiligung von Zentral- und Gesamtverbänden sowie von Fachkreisen“ unter realistischen Gesichtspunkten einzuhalten, um den angemessenen Einfluss vorhandener Erfahrungen und Expertisen zu ermöglichen. Zudem machen wir Vorschläge zur Bereitstellung von Synopsen, die Veröffentlichung der Referentenentwürfe und die Öffnung des Kommentierungsprozesses.

Der offene Brief

Angemessene Fristen statt Scheinbeteiligung

Sehr geehrte Bundesminister*innen,

die Beteiligung von Zivilgesellschaft und Verbänden an Gesetzgebungsprozessen ist ein elementarer Bestandteil unserer Demokratie. Deshalb ist in § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) auch eine „möglichst frühzeitige“ Zuleitung an Verbände vorgesehen.

Leider werden seitens der Bundesministerien in zunehmendem Maße Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen in weniger als drei Arbeitswochen – teilweise von gerade einmal wenigen Werktagen – erwartet. Trauriger Tiefpunkt waren im Dezember 2020 die Anfragen zu Stellungnahmen für den 4. Referentenentwurf zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 mit einer Kommentierungsfrist von 28 Stunden (bei 108 Seiten) und zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes mit einer Frist von 2 Tagen (bei 465 Seiten).

Wir, die unterzeichnenden Vereine, Stiftungen, Initiativen und Verbände dieses Briefes, fordern Sie als Ressortleiter*in auf, die Verbändebeteiligung als wichtiges Werkzeug demokratischer Teilhabe zukünftig wieder ernsthafter zu verfolgen. Die Einbindung von Zivilgesellschaft und Verbänden liefert wichtige inhaltliche Anregungen, ermöglicht es, Meinungen und Expertise aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft einzuholen und wirkt der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und der Politikverdrossenheit entgegen. Wir sehen daher folgenden Handlungsbedarf:

1. Angemessene Fristen für die Kommentierung von Gesetzesentwürfen

Expertise benötigt Zeit. Unser Anspruch ist, Ihnen fundierte Rückmeldung aus unseren jeweiligen Fachgebieten zu den Gesetzgebungsvorhaben zu liefern. Die Einbeziehung unserer Fachexpert*innen benötigt jedoch immer einen ausreichenden Vorlauf. Dies gilt insbesondere für Organisationen, die auf dem Engagement Ehrenamtlicher fußen. Diesen ist es rein organisatorisch nur schwerlich möglich, eine fundierte Stellungnahme innerhalb weniger Tage auszuarbeiten.

Wir erwarten daher, bei allen künftigen Gesetzgebungsprozessen mindestens vier Arbeitswochen für die Anfertigung von Stellungnahmen einzuräumen. Die Bemessung der Frist sollte sich zudem an der Länge eines Entwurfes orientieren. Denkbar wäre eine Festschreibung von je einer Woche für je 50 Seiten Entwurfsdokument, nicht jedoch weniger als vier Wochen.

2. Bereitstellung von Synopsen zur besseren Vergleich- und Nachvollziehbarkeit

Insbesondere wenn, wie im Falle des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0, innerhalb weniger Wochen neue Referentenentwürfe geteilt werden, sollte den Anfragen nach Stellungnahme eine Synopse zur vorherigen Version zur besseren Nachvollziehbarkeit der Änderungen beigefügt werden.

3. Veröffentlichung der Referentenentwürfe auf den Websites der Ministerien

Im Sinne eines transparenten Gesetzgebungsprozesses sollten sämtliche Referentenentwürfe, für die Stellungnahmen bei Verbänden eingeholt werden, und Synopsen öffentlich zugänglich sein. Die Entwürfe sollten zeitgleich mit ihrem Versand an die Verbände auf den Websites der Bundesministerien veröffentlicht werden.

4. Eine Öffnung des Partizipationsprozesses

Die Beteiligung der Zivilgesellschaft sollte weiter vereinfacht werden. Nach dem Vorbild der Online-Konsultationsverfahren der Europäischen Union sollte neben der Veröffentlichung aller Referentenentwürfe und Synopsen auch die Kommentierungsmöglichkeit für weitere zivilgesellschaftliche Akteure geöffnet werden. Bisher handelt es sich um eine intransparente Auswahl durch die federführenden Ministerien.

Sehr geehrte Bundesminister*innen, wir verstehen unsere Vorschläge als Beitrag zu einem demokratischeren, kooperativeren und inklusiveren Gesetzgebungsprozess und sehen hinsichtlich der Einräumung längerer Kommentierungsfristen dringenden Handlungsbedarf. Anbei finden Sie eine exemplarische Auflistung vergangener Gesetzgebungsvorhaben mit unzureichenden Fristen.

Mit freundlichen Grüßen

Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)

Stiftung Neue Verantwortung

eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.

Open Knowledge Foundation Deutschland

Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

Transparency International Deutschland e.V.

Chaos Computer Club (CCC)

BITMi – Bundesverband IT-Mittelstand e.V.

Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V.

IfKom – Ingenieure für Kommunikation e. V.

Digitale Gesellschaft e.V.

LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e. V.

IEN Initiative Europäischer Netzbetreiber

Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e. V.

Stellungnahme zum BMJV-Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Diskussionsentwurf für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts veröffentlicht. Dieser regelt die Verantwortlichkeit von Plattformen und setzt damit Artikel 17 (ehemals Artikel 13) der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) um. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren hat das BMJV um Stellungnahme gebeten.

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt hat hierzu folgende Stellungnahme an das BMJV versandt:

Im Juni legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Diskussionsentwurf zur Umsetzung der DSM-RL, insbesondere des Artikels 17, vor. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, wesentliche Punkte zu nennen, die uns mit Bezug auf die Meinungsfreiheit im Internet, sowie der Anwenderfreundlichkeit als Nutzerinnen und Nutzer und von Kreativschaffenden besonders relevant erscheinen. Wir begrüßen zunächst, dass der Diskussionsentwurf gerade bei den Regelungen zur Plattformhaftung nötige Konkretisierungen vorsieht, bei der die Richtlinie Lücken lässt. Nichtsdestotrotz möchten wir unsere Bedenken bzgl. der automatisierten Überprüfung und Selbstprüfung von Inhalten äußern. Die Bundesregierung hat sich in einem Zusatzprotokoll zur DSM-RL verpflichtet, automatisierte Uploadfilter soweit wie möglich zu verhindern. Auch wenn wir begrüßen, dass eine Ausnahmeregelung für Karikaturen, Parodien und Pastiche erarbeitet wurde, sowie eine erfreuliche Veränderung im Urheberrecht durch die Erlaubnis von Bagatellnutzungen gemacht werden könnte, sind wir kritisch was die aktuell definierten Größen angeht.

Im Einzelnen möchten wir zu bedenken geben:

1. UrhDaG: An den positiven Ansätzen sollte festgehalten werden

Kein Gesetz zum Schutz von Urheberrechten darf dazu führen, dass öffentliche Räume in Gefahr geraten. Zu diesen öffentlichen Räumen zählen heute unstreitig auch kommerzielle Upload-Plattformen. Hier findet Auseinandersetzung mit Politik, Kultur und Gesellschaft statt. Dabei werden regelmäßig urheberrechtlich geschützte Inhalte geteilt – oftmals legal, weil über die Zitierfreiheit oder andere urheberrechtliche Erlaubnisse abgedeckt, oftmals jedenfalls mit geringer Auswirkung für Rechteinhaber. Wir haben den Einsatz von Uploadfiltern stets abgelehnt; diese Debatte wurde bereits geführt. Der Entwurf – und schon Art. 17 der DSM-RL – wird dieser Forderung und auch der eigenen Absichtserklärung in der Protokollerklärung 2019 nicht gerecht. Wir erinnern die Bundesregierung daran, das gesetzte Ziel, Upload-Filter in Deutschland nicht einzusetzen, nicht aus dem Blick zu verlieren. Der vorgelegte Entwurf beinhaltet jedoch unzweifelhaft Upload-Filter. Es ist uns deshalb besonders wichtig, dass erlaubte Nutzungen nicht durch einseitige Regeln zu Gunsten der Rechteverwerter unterbunden werden. Wir unterstützen daher den Vorschlag des Diskussionsentwurfs, dass Nutzerinnen und Nutzer Inhalte flaggen können, damit diese Inhalte im Regelfall zunächst einmal „durchgelassen werden“. Wir unterstreichen, dass automatisierte Techniken solche Nutzungen nicht zuverlässig erkennen können und deshalb an dieser Stelle ein Sicherungsmechanismus für „nicht maschinell erkennbare“ erlaubte Nutzungen unbedingt erforderlich ist, um Overblocking zu verhindern. Sprich: Eine Sperrung des Inhalts, insbesondere ein Inhalt mit Pre-Flagging, muss durch einen Menschen vorgenommen werden. Nutzerinnen und Nutzer dürfen nicht in die Beweislast für ihre Nutzungsfreiheiten gedrängt werden. Darüber hinaus muss außerdem sichergestellt werden, dass alle Formate davon umfasst sind (bspw. auch Live-Streams).

Wir begrüßen hingegen den Vorschlag, „Bagatellnutzungen” zu erlauben. Es ist nicht immer klar, wann die Zitierfreiheit greift oder was juristisch gesehen eine Parodie ist. Ein modernes Urheberrecht muss auf einen breiten Interessenausgleich für die gesamte Informationsgesellschaft angelegt sein. Dazu gehört auch, dass vor allem dort Freiheiten geschaffen werden, die für die Allgemeinheit von großem Wert sind und bei denen mögliche Einbußen für Rechteverwerter tendenziell gering bis nicht messbar sind. Daher unterstützen wir, dass bis zu einer gewissen Schwelle solche Nutzungen pauschal zulässig gemacht werden sollen. Wir geben aber zu bedenken, dass diese Möglichkeit auch für kommerzielle, semiprofessionelle Zwecke geöffnet werden sollte. Jedenfalls halten wir die Bagatellnutzung fachjuristisch für umsetzbar, zumal erst zuletzt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof mit seinen Schlussanträgen zur Haftung von YouTube in diese Richtung weist. Wir fordern die Bundesregierung daher dazu auf, europarechtliche Initiativen zu ergreifen, um eine weitergehende allgemeingültige Bagatellnutzung zu ermöglichen. Meme-Kultur und das Verwenden von weiteren Inhalten, die zwar urheberrechtlich geschützt sind, aber keinen Schaden entstehen lassen, gehören zur Internetkultur und müssen daher aus der rechtlichen Grauzone geholt werden.

Ebenfalls begrüßen wir, dass missbräuchliche Inanspruchnahme von Urheberrechten die Upload-Plattformen berechtigt, die vermeintlichen Rechteinhaber vom Sperrungs- und Entfernungsverfahren auszuschließen. Wir finden es richtig, dass bei den Vergütungen, die die Upload-Plattformen zahlen müssen, die Urheberinnen und Urheber selbst unmittelbar berücksichtigt werden. Schließlich war dies ja auch das zentrale politische Argument der Befürworterinnen und Befürworter von Art. 17. Unbedingt beibehalten werden sollte die Ausnahmevorschrift, die besagt, dass Dienste wie Online-Enzyklopädien oder Wissenschaftsrepositorien nicht in den Anwendungsbereich fallen, entwicklungsoffen sind („insbesondere“).

2. Karikatur, Parodie und Pastiche: Alltagspraxis muss endlich frei sein

Der Gesetzentwurf enthält mit der neuen Schranke für Parodie, Karikatur und Pastiche eine wichtige Vorschrift. Das Ziel muss sein, insbesondere die Remix-Alltagskultur im Netz endlich zu legalisieren und die urheberrechtlichen Freiheiten so an die gesellschaftliche Realität anzupassen. Im weiteren Gesetzgebungsprozess sollte schließlich genau geprüft werden, ob tatsächlich alle Formen der „transformativen Alltagsnutzung“ im Netz abgedeckt sind – Memes, Remixe etc., wie es der Entwurf besagt. Wir unterstützen dieses Ziel ebenso wie die Regelung für Upload-Plattformen, die diese Nutzungsfreiheiten unter besonderen Schutz vor Overblocking stellt. Viele Auseinandersetzungen im Urheberrecht der letzten Jahrzehnte haben außerdem gezeigt, dass auch professionelle Urheberinnen und Urheber selbst auf Nutzungsfreiheiten angewiesen sind – auch sie können durch zu strikte Urheberrechte beschränkt sein. Auch in ihrem Interesse liegen also breite Schrankenregelungen.

3. Pre-Flagging muss menschliche Entscheidung bedeuten

Trotz Pre-Flagging können Inhalte gesperrt werden, wenn sie 90 Prozent oder mehr geschützten Inhalt enthalten. Die quantitative Festlegung auf einen automatisierten Schwellwert wird zweifelsohne zu einem Overblocking von Inhalten führen. Dies muss korrigiert werden. Beispiel: Ein Video, das zum größten Teil aus einem geschützten Teil besteht (z. B. 18 Sekunden), kann durch einen eigenen Schluss (z. B. 2 Sekunden) zu einer Parodie werden. Der Inhalt würde fälschlicherweise gesperrt werden – automatisiert. Das gleiche Problem ergibt sich bei einer unklaren Lage zu den Urheberrechten.

4. 250 Kilobyte Größenbeschränkung untauglich

Die Größenbeschränkung von 250 Kilobyte für eine private Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken wird sich in der Praxis kaum als nützlich erweisen. Insbesondere dann nicht, wenn das Werk in einem Remix (Collage, etc.) verwendet wird. Enthält eine Datei ein Foto, die geschützt ist, lässt sich aus der Dateigröße kaum ermitteln, ob die 250kb-Marke für den Teil des geschützten Werkes nicht überschritten wird. Beispiel: Wird ein Foto mit einem Text versehen, so wie es bei Memes üblich ist, und die Datei dadurch 251kb groß ist, ist dies algorithmisch kaum zu bewerten. Wären in diesem Fall 1kb für den Text reserviert? Dies lässt sich technisch nicht aufschlüsseln.

Hinzu kommt, dass versierte Nutzerinnen und Nutzer in der Lage sind, Grafiken durch den Einsatz professioneller Software in der Dateigröße so zu verkleinern, dass sie zwar hochauflösend sind, aber eine geringe Dateigröße aufweisen. Hier werden die Nutzerinnen und Nutzer benachteiligt, die nicht im Besitz dieser Software sind oder entsprechendes Fachwissen fehlt. Die Barrierefreiheit der digitalen Kommunikation wird dadurch erheblich eingeschränkt.

5. Zugang zu Kultur im Netz: Bestehendes erschließen, Gemeinfreiheit stärken

Viele Bereiche aus unserer Gesellschaft, die in Büchern, Flyern, Plakaten etc. kulturell festgehalten sind, liegen verschlossen in Archiven. Viele dieser Werke sind nur deshalb nicht frei zugänglich, weil die Urheberrechte nicht geklärt werden können oder die Klärung zu aufwendig ist. Für die Wissensgesellschaft ist das ein unhaltbarer Zustand. Gerade der Online-Zugang zum kulturellen Erbe vergangener Zeiten ist zentral für gesellschaftliche Teilhabe und unser Geschichtsbild.

Daher ist es wichtig, den Spielraum der Richtlinie auszuschöpfen und hier moderne Lizenzierungsregelungen einzuführen. Sie ermöglichen es z.B. Museen und Archiven, Werke, die nie im Umlauf waren, der Öffentlichkeit im Netz zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist es jetzt, die Hürden gerade für Digitalisierungsprojekte kleiner Archive (etwa aus politischen Bewegungen etc.) so niedrig wie möglich zu halten. Daher sehen wir es kritisch, wenn derartige Nutzungen dort vergütet werden müssen, wo keine „repräsentative Verwertungsgesellschaft“ existiert und eine urheberrechtliche Schranke greift. Europarechtlich ist dies ebenfalls nicht vorgesehen. In der Vergangenheit ist außerdem die Verbreitung von Abbildungen gemeinfreier Werke immer wieder geschwächt worden. Die Richtlinie stellt hierfür die Weichen neu und setzt sich zum Ziel, den Zugang der Allgemeinheit – also auch der Wissenschaft – zur Kultur und zum kulturellen Erbe zu fördern. Dies tut sie, indem sie Reproduktionen gemeinfreier „visueller Werke“ für zwingend gemeinfrei erklärt, also bspw. Fotos von einem Gemälde aus einem Museum. Solche Inhalte können künftig frei im Netz, etwa über Wikipedia, geteilt werden. Ziel muss es dabei sein, Reproduktionen so weit wie möglich gleich zu behandeln:

Daher sind nach unserer Auffassung nicht nur Reproduktionen von Werken umfasst, die einmal geschützt waren, sondern auch solche Artefakte, die nie unter Urheberrechtsschutz gefallen sind. Die Gesetzesbegründung sollte diesen Punkt klarstellen.