Über 170 zivilgesellschaftliche Organisationen fordern gemeinsam mit D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt ein globales Verbot von Werkzeugen biometrischer Überwachung.
Solche Überwachunsgwerkzeuge zur Verarbeitung biometrischer Informationen, wie bspw. Kameras mit Gesichtserkennungssoftware, werden im öffentlichen Raum sowohl von Regierungen, Polizeien als auch Unternehmen eingesetzt. Das Ziel: Menschen sollen identifiziert werden, um bspw. Straftaten aufzuklären. Allerdings richten diese Technologien mehr Schaden an, als dass sie Probleme lösen.
Eine Gefahr für freie Gesellschaften
Werkzeuge der biometrischen Massenüberwachung wie automatische Gesichts- oder Spracherkennung, die aus der Ferne heimlich eingesetzt werden können, schaden der freien Meinungsäußerung, der Versammlungsfreiheit und verletzen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen.
Erik Tuchtfeld, Vorstandsmitglied von D64, betont:
„Die ständige Identifizierbarkeit und Verfolgbarkeit im öffentlichen Raum führt, völlig unabhängig von einem vermeintlichen Nutzen, zu chilling effects für die Meinungsfreiheit. Legale – und legitime – Meinungsäußerungen werden unterlassen, weil man befürchtet, dass diese negative Konsequenzen mit sich bringen könnten.“
Anonymität im öffentlichen Raum – im digitalen wie im analogen – ist eine der Grundvoraussetzungen für einen freien Diskurs. Besteht die Gefahr von Repressalien, sind es insbesondere die Menschen, die in einer gesellschaftlich „schwächeren“ Position sind, die ihren Anliegen keine Stimme mehr verleihen können.
Hinzu kommt, dass Software, die Prognosen über Geschlecht, Emotionen oder andere persönliche Eigenschaften trifft, wissenschaftlich nicht fundiert ist und sich im Kern auf diskriminierende Thesen der Physiognomie und Phrenologie stützt, nach der sich aus biologischen Merkmalen einer Person ein Rückschluss auf kriminelles Verhalten ziehen lässt.
„Diese Überwachungstechnologien haben im besonderen Maße Auswirkungen auf die Freiheiten marginalisierter, einkommensschwacher Gruppen, die überproportional von ihnen betroffen sind. Existierende gesellschaftliche Stereotype werden verstärkt, strukturelle Diskriminierung und Rassismus manifestiert“,
stellt Anne Schwarz, ebenfalls Vorstandsmitglied von D64, heraus.
Der Einsatz biometrischer Erkennungssoftware, die „aus der Ferne“ eingesetzt werden kann, muss deshalb im öffentlichen Raum vollständig verboten werden.
Das Verbot biometrischer Erkennungstechnologien bezieht sich nicht nur auf den öffentlichen Sektor. Zwar hat die Nutzung durch Polizeien auf der ganzen Welt in der Vergangenheit eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit erhalten – und das Missbrauchspotential bereits gezeigt -, nichtsdestotrotz ist der Nutzen durch private Akteure aber ähnlich gefährlich. So wurden in der Vergangenheit bspw. bereits globale Datenbanken mit dem Ziel angelegt, die Gesichter aller Menschen zu sammeln.
Partnerorganisationen aus der ganzen Welt
Dem von AccessNow, Amnesty International, European Digital Rights (EDRi) und anderen organisierten Aufruf haben sich Organisationen sämtlicher Kontinente angeschlossen. So wird er unter anderem unterstützt von AlgorithmWatch, Privacy International La Quadrature du Net, Human Rights Watch und vielen anderen.
Europäische Bürgerinitiative
In Europa knüpft die globale Forderung an die derzeitige Europäische Bürgerinitiative ReclaimYourFace an, mit der über 35 Organisationen aus ganz Europa, auch D64, die europäischen Institutionen auffordern, innerhalb der EU ein entsprechendes Verbot zu erlassen. Mehr als 50.000 Personen haben den Aufruf bereits unterstützt. Weitere Informationen (und die Möglichkeit der Unterzeichnung) gibt es auf ReclaimYourFace.eu.