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Von Sonntagsreden und Montagsbestellungen

In einem D64-Talk verdeutlichte Miriam Seyffarth die Lücke zwischen politischen Versprechen und Realität in Bezug auf Open Source: Die Regierung investiert Milliarden in proprietäre Software, während Open Source kaum gefördert wird.
D64-Mitglieder lauschen in einem großen Konferenzraum dem Vortrag, der vorne vor einer Leinwand stattfindet.
Foto: D64/Fionn Große

In einem gut besuchten Open Source Talk (Online) bei D64 zeigte Miriam Seyffarth, Leiterin Politische Kommunikation der Open Source Business Alliance auf, wie groß die Schere zwischen den Versprechungen des Koalitionsvertrags und dem tatsächlichen Regierungshandeln ist. In der Kurzzusammenfassung zitierte sie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: „Wir dürfen nicht nur sonntags von Open Source Software sprechen, sondern müssen sie montags auch einkaufen.“

So steht es auch im Koalitionsvertrag an mindestens zwei Stellen. Dort wird ein klarer Zusammenhang zwischen digitaler Souveränität und offenen Standards und Open Source hergestellt. Ebenso heißt es dort unmissverständlich: „Entwicklungsaufträge werden in der

Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software wird grundsätzlich öffentlich gemacht.“

Die Realität ist eine andere und kein Vergleich drückt das besser aus, als die Ausgaben des Bundes seit Beginn der Legislaturperiode: 6,1 Milliarden Euro gingen alleine an Microsoft und Oracle, für Open Source Dienstleistungen blieben ein paar Brotkrumen: 18,7 Millionen Euro sind nicht mal mehr ein Feigenblatt.

Woran es oft hängt: Die Vergabeverfahren sind nicht auf Open Source Software eingestellt und auch das Wissen in den Behörden ist oft mangelhaft. So halten sich hartnäckig viele Gerüchte und es wird auch diskutiert, ob eine Bevorzugung quelloffener Software gegenüber proprietären Lösungen überhaupt zulässig ist. Die OSBA hat dazu ein juristisches Gutachten erstellen lassen und kommt zu dem Schluss, dass dies laut Prof. Dr. Andreas Wiebe nicht nur möglich und sinnvoll, sondern sogar erforderlich ist. Die bekannten Lock-In-Effekte spielten für diese Einschätzung eine wichtige Rolle.

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass ein Open Source-Vorrang vor allem durch eine Verankerung in der Vergabeverordnung für öffentliche Aufträge (VgV) und im E-Government-Gesetz des Bundes geregelt werden muss. Bewährte Ansätze kommen zum Beispiel aus Frankreich, Portugal oder Tschechien.

In der lebhaften Diskussion nach Seyffarths Impuls wurden schließlich viele ihrer Thesen mit traurigen Beispielen untermauert. Manche Mythen scheinen sich in der Tat ewig zu halten, so zum Beispiel die Mär, dass sich bei Projektausschreibungen niemand findet, der unter Open Source Bedingungen überhaupt Software entwickeln würde. Die Realität ist eine andere. Viele Softwarehäuser seinen zu diesem Thema geradezu agnostisch, so Seyffarth.

Das Fazit ist für uns als AG Open Source und als D64 also klar: Wir werden bei der Reform des Vergaberechts und bei den Haushaltsdiskussionen genau hinsehen und die Entwicklungen kritisch begleiten.

Weiterführende Links:

AG Open Source

Open Source ist ein Mindset und die Grundlage digitaler Souveränität. Dabei geht es uns nicht allein um Software oder Lizenzen und Rechte. Der eigentliche Kern von Open Source ist ein transparentes, vernetztes und kooperatives Handeln und Gestalten. Wir arbeiten an Denkanstößen und Lösungsansätzen, um diese Grundsätze zu stärken.

Mitwirkende

Oswald Prucker

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