So wie auf dem Bild für diesen Artikel dargestellt, stellt sich das Bundesjustizministerium die Umsetzung des Leistungsschutzrechts vor. Doch nicht nur die kleinen pixeligen Grafiken kritisieren wir als D64.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Diskussionsentwurf für ein erstes Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts veröffentlicht. Dieser enthält Regelungen zu einem Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen und zur Beteiligung von Verlegern an gesetzlichen Vergütungsansprüchen. Er setzt damit Artikel 15 und Artikel 16 der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) um. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren hat das BMJV um Stellungnahme gebeten.
D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt hat hierzu folgende Stellungnahme an das BMJV versandt:
Der Diskussionsentwurf des BMJV zur Umsetzung des Artikel 15 der Digital Single Market – Richtlinie (DSM-RL) wird mehr Kosten als Nutzen nach sich ziehen. Das gescheiterte deutsche Leistungsschutzrecht (LSR) hat bereits gezeigt, dass Kontroll- und Durchsetzungskosten in keinem Verhältnis zu möglichen Erträgen für die Begünstigten des LSR stehen: Das LSR hat nicht nur seine Kernziele verfehlt und nicht zu einer Umverteilung der Anzeigenerlöse von Suchmaschinenanbietern zu Presseverlagen oder einer Mehrnachfrage nach (bezahlten) Informationsleistungen geführt. Darüber hinaus wurde außerdem die Entwicklung neuer und innovativer Angebote aufgrund des Festhaltens am LSR gehemmt.
Es ist nicht ersichtlich, wie der Diskussionsentwurf diese Mängel bei der Umsetzung des Artikel 15 der DSM-RL behebt.
1. Die Abgrenzung privater Postings mit Presseinhalten von kommerziellen ist weiterhin unklar.
Zwar gestattet der Diskussionsvorschlag eine
„öffentliche Zugänglichmachung einer Presseveröffentlichung im Internet und die Vervielfältigung einer Presseveröffentlichung zu diesem Zweck, soweit sie zu privaten oder nicht-kommerziellen Zwecken durch einzelne Nutzer erfolgt“.
Hierbei ist die Abgrenzung von privaten und kommerziellen Nutzungen jedoch unklar. Als eine „private“ Nutzung kann beispielsweise auch eine Veröffentlichung in einer geschlossenen Facebook-Gruppe gelten. Diese bilden eine Form von Öffentlichkeit, die oft durchaus kommerziell genutzt wird. Es ist deshalb fraglich, ob Plattformanbieter wie Facebook, zukünftig für Postings ihrer Nutzer zahlen müssen, wenn diese Presselinks beinhalten.
Darüber hinaus kann ein “kommerzieller Zweck” auch über einen indirekten Nutzen der Berichterstattung für den Postenden gegeben sein. Eine Klarstellung, wodurch ein kommerzieller Nutzen unmittelbar gegeben ist, ist deshalb dringend erforderlich. Beispielsweise verschwimmen bei Influencern die private und kommerzielle Nutzung eines Accounts häufig. Hier stellt sich die Frage, wann ein Presselink unmittelbar kommerziell genutzt wird. Durch einen Meinungsbeitrag und die Benutzung entsprechender Pressequellen profiliert sich ein Influencer. Das kann die Popularität steigern und damit den kommerziellen Nutzen von bezahlter (und gekennzeichneter) Produktplatzierung.
Ist eine private und nicht-kommerzielle Nutzung von Presseveröffentlichungen durch einzelne Personen und das Setzen von Hyperlinks und die Nutzung einzelner Wörter (oder sehr kurzer Auszüge) einer Presseveröffentlichung ohnehin weiterhin gestattet – und klar definiert –, stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit eines solchen Gesetzes und ihrem – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Nutzen. Im Jahr 2017 nahm die VG Media durch das LSR stellvertretend für die Presseverlage 30.000 Euro ein. Dies geschah unter Aufwendung von 2.250.099 Euro für die Rechtsdurchsetzung, wie man dem Jahresbericht 2017 der VG Media entnehmen kann.
2. Das Leistungsschutzrecht wird die Marktmacht großer Suchmaschinen weiter vorantreiben auf Kosten von kleinen, alternativen Suchmaschinen.
Vom LSR betroffen sind neben großen marktbeherrschenden Suchmaschinen wie Google auch kleinere Suchmaschinenbetreiber und andere „Dienste der Informationsgesellschaft“, die das identische Maß an Regulierung erfüllen müssen. Während große marktbeherrschende Plattformbetreiber über die notwendigen Mittel für langwierige rechtliche Auseinandersetzungen verfügen, sind es vor allem neue und kleinere Diensteanbieter, deren Angebote oder gar Existenz durch das LSR gefährdet wird. Den erweiterten Anwendungsbereich der Regelungen im Vergleich zum früheren deutschen LSR wächst also die Gefahr von Innovationsverhinderung und Standortnachteilen für deutsche und europäische Diensteanbieter im Vergleich insbesondere zur US-amerikanischen Konkurrenz.
3. Die schlussendlich erlaubte Länge von Snippets ist noch immer nicht geklärt.
In den Erläuterungen des vorgelegten Diskussionsentwurf des BMJV heißt es bzgl. der Reichweite des Leistungsschutzrechts:
“§ 87g Absatz 3 UrhG-E konkretisiert daher in – wenngleich nicht abschließender – Weise die unionsrechtlichen Vorgaben und stellt klar, was in der Regel unter einzelnen Wörtern oder sehr kurzen Auszügen zu verstehen ist, und zwar in Bezug auf einen eigenständigen Beitrag in einer Presseveröffentlichung.”
Der Gesetzgeber muss die Länge von “sehr kurzen Auszügen” klären. Mit Blick auf die Implementierung des Artikels 15 der DSM-RL in Frankreich muss dem Gesetzgeber dabei klar sein, dass sich große Suchmaschinenanbieter nicht durch maximale Einschränkungen von Snippets zur Kasse bitten lassen. Googles Ankündigung, in Frankreich auf Snippets gänzlich zu verzichten, sollte der Verlag nicht explizit einer kostenfreien Verwendung zustimmen, geht ausschließlich zu Lasten der Informationsfreiheit und damit der Verbreitung von Qualitätsjournalismus.
4. Inwiefern UrheberInnen, wie JournalistInnen und FotografInnen, von dem Gesetz profitieren werden, bleibt offen.
UrheberInnen wie JournalistInnen und FotografInnen sollen gem. § 87k UrhG-E einen „angemessenen“ Anteil der Einnahmen erhalten. Was angemessen ist, lässt der Diskussionsentwurf hingegen offen. Hier wird die Chance verpasst, die Stellung der UrheberInnen tatsächlich zu stärken.
5. Eine Begrenzung der Vorschaubilder auf 128*128 Pixel ist absurd und gefährdet Kreativität im Internet.
Der aktuelle Minimalstandard von Smartphones hat eine HD-Auflösung, die 1.280 x 720 Pixel entspricht. Eine Auflösung von 128×128 Pixel entspricht circa 17% der Bildschirmgröße. Die Erstellung und Verbreitung sogenannter Memes mit Hilfe von Pressefotos wird damit stark eingeschränkt. Dies gefährdet ein wichtiges Stilmittel kreativ-zeitgemäßer Onlinekommunikation. Außerdem sind derart kleine Grafiken irreführend und nicht erläuternd für den zu vermittelnden Inhalt.
Ganz allgemein zeigt sich hier eine Widersprüchlichkeit und irritierende Schwerpunktsetzung was den Konkretheitsgrad des Diskussionsentwurfs betrifft: während Ansprüche der UrheberInnen unspezifisch bleiben (s. oben), sind Einschränkung der Nutzbarkeit überspezifiziert. Ebenso mangelt es an Technologieneutralität und Innovationsoffenheit.
Die geplante Umsetzung der Richtlinie ist unzeitgemäß und macht deutlich, dass dieses Gesetz allein großen Presseverlagen dienen soll. Dies passiert insbesondere auf Kosten von EndnutzerInnen. Das Monopol einiger weniger “Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft” wird dabei keinesfalls beschnitten, sondern im Gegenteil schlimmstenfalls deren weitere Stärkung in Kauf genommen. Der aktuelle Diskussionsentwurf zur Umsetzung der DSM-RL lässt weiterhin überaus kostspielige und langwierige Klärung im Rahmen von Gerichtsverfahren erwarten und sorgt dadurch für lang andauernde Rechtsunsicherheit.