D64 begrüßt die Initiative des Bundesjustizministeriums, sich dem Thema Hass im Netz anzunehmen. Bedauerlicherweise scheint jedoch als zentrales Problem für den Diskurs im digitalen Raum Anonymität identifiziert worden zu sein. So sollen mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Auskunftsansprüche zukünftig Unternehmenskritik wie Todesdrohungen gleichermaßen zur Aufhebung der Anonymität eines:r Nutzers:in berechtigen.
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Die Bedeutung, die der Schutz der Anonymität insbesondere für vulnerable Gruppen hat, wird grundlegend verkannt. Es besteht die erhebliche Gefahr des Missbrauchs der angedachten Regelungen zum Zwecke der Identifizierung von Journalist:innen und politischen Aktivist:innen, deren Adressen sodann in einschlägigen politischen Kreisen geteilt werden können. D64 lehnt die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Auskunftsansprüche auf die Verletzung sämtlicher absoluter Rechte daher ab und fordert eine Beschränkung auf Straftaten.
Die Einführung der Möglichkeit richterlich angeordneter und damit rechtsstaatlich abgesicherter Accountsperren begrüßt D64. Hier ist jedoch die Möglichkeit der kollektiven Rechtsverteidigung durch entsprechende Verbandsklagerechte bei der Begehung von Straftaten ohne individuelles Opfer, wie Volksverhetzung, zu ermöglichen. Positiv hervorzuheben ist die Möglichkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Nutzer:innen von Accounts, gegen die vorgegangen wird, bei gleichzeitiger Wahrung der Anonymität.
In einigen zentralen Punkten enthält das Eckpunktepapier leider noch keine Vorschläge. So wird nicht dargelegt, wie das Beratungsangebot für Betroffene von Hass im Netz verbessert werden soll, obwohl dies im Koalitionsvertrag explizit angekündigt wurde. D64 setzt sich dafür ein, dass über Beratungsschnittstellen auf den Plattformen Betroffene zukünftig unmittelbar an dem digitalen Ort, an dem sie sich befinden, digitale Beratungsangebote zur Verfügung gestellt bekommen sollten. D64 fordert ferner der Schutz vor Bedrohungen und Übergriffen zu verbessern, in dem die Impressumspflicht überarbeitet sowie der Schutz der persönlichen Daten von Opfern und Zeug:innen im Strafverfahren verbessert wird.
Schließlich bleibt die Verfolgung von Straftaten – im analogen wie im digitalen Raum – eine originär staatliche Aufgabe. Die Verteidigung der eigenen Rechte gegen strafbare Angriffe darf keine Frage der (finanziellen) Leistungsfähigkeit einer Person sein, indem sie von aufwändiger und teurer privaten Rechtsdurchsetzung abhängig gemacht wird. Zur Verbesserung der Strafverfolgung im Internet ist vielmehr eine umfangreiche Verbesserung der Digitalkompetenz der Strafverfolgungsbehörden anzustreben, in deren Rahmen Prozesse standardisiert und über Schnittstellen abgebildet werden. Keinesfalls bedarf es neuer Strafgesetze oder Datenspeicherungen, sondern vielmehr eines gezielten Vorgehens nach rechtsstaatlich bestätigtem Anfangsverdacht. Dass dabei auch anonyme Nutzerkonten ein lösbares Problem darstellen, zeigen wir mit unserem Konzept der „Login-Falle“.