Der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) und Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), haben ein kurzes aber dafür pointiertes Positionspapier (PDF) zum Thema Urheberrecht vorgelegt. In sieben Punkten wird dabei konsequent die Sicht der Internetnutzer/innen eingenommen. Nach einer allgemeinen Forderung, deren Interessen bei der Ausgestaltung des Urheberrechts stärker zu berücksichtigen – schließlich sind sie heute in viel größerem Ausmaß als früher von urheberrechtlichen Regelungen betroffen -, werden die folgenden Punkte angeführt:
- „Die Privatkopie als unabdingbares Nutzerrecht verankern“: Das ist deshalb eine wichtige Forderung, weil ein Verbot der Umgehung von Kopierschutztechnologien (sogenanntes „Digitales Rechtemanagement„, DRM) in mehr und mehr Fällen die legale Erstellung einer Privatkopie auch von einem legal erworbenem Werk unterbindet. Paradoxerweise werden so ehrliche KonsumentInnen schlechter gestellt als jene, die ihre Werke als illegale Kopie beziehen. Im Positionspapier heißt es dazu: „Dieses Recht soll künftig nicht durch den Einsatz von technischen Kopierschutzmaßnahmen oder durch Vertragsbedingungen eingeschränkt, umgangen oder ausgeschlossen werden können.“
- „Private Nutzungen zu Kommunikationszwecken im Web 2.0 ermöglichen“: Vor allem das Teilen von Fotos und Videos in sozialen Netzwerken soll legalisiert, die Gefahr eine Abmahnung dafür ausgeschlossen werden: „Sofern sie keine kommerziellen Ziele verfolgen, beinhalten sie keine unangemessene Beeinträchtigung der Interessen von Urhebern und Rechteinhabern.“ Offen lassen die Autoren des Positionspapier jedoch, wie mit dem Umstand umgegangen werden soll, dass viele dieser Plattformen wie YouTube oder Facebook sehr wohl kommerzieller Natur sind und sich bisweilen – wie gerade im Streit zwischen YouTube und GEMA – mit Verwertungsgesellschaften nicht über eine Vergütung einigen können. Hier wäre vielleicht auch eine effektivere Form der Schlichtung angebracht.
- „„Kreativität der Masse“ zulassen“: Viele Formen von digitaler Alltagskreativität sind im derzeitigen Urheberrecht untersagt. Konsequenterweise fordert das Positionspapier deshalb, dass „[e]in modernes Urheberrecht Gestaltungsformen und Kulturpraktiken wie Collagen, Remixe oder Mashups, die urheberrechtlich geschützte Inhalte verwenden, ermöglichen [muss]“. Die Freundinnen und Freunde vom Verein Digitale Gesellschaft e. V. haben zu diesem Punkt auch erst kürzlich eine Initiative zum Thema „Recht auf Remix“ gestartet, die genau diesen Punkt starkt macht. (Disclosure: Ich war in die Konzeption dieser Kampagne involviert)
- „Umfassende Rechte an digitalen Gütern sicherstellen; Weiterverkauf ermöglichen“: Während der Weiterverkauf eines gelesenen Buchs auf Papier völlig unproblematisch war, ist ein Weiterverkauf gelesener E-Books auf vielen Plattformen nicht oder nur schwer möglich: „Aus Sicht der Verbraucher macht es keinen Unterschied, ob sie beispielsweise ein gedrucktes Buch oder ein eBook erwerben. In beiden Fällen bezahlen Verbraucher für den Erwerb des Werks und dafür, dass sie dauerhaft und frei darüber verfügen können.“
- „Urheberrecht verständlich machen“: Bis zu Digitalisierung und Internet war das Urheberrecht eine Materie für ExpertInnen und dementsprechend schwer verständlich ist auch die Regelungsmaterie. Das Positionspapier hat aber nicht nur das Urheberrecht selbst, sondern die teilweise noch unverständlicheren Nutzungsbedingungen der Diensteanbieter im Blick: „Diese sind oft umfangreich und kompliziert, so dass viele Verbraucher sie weitgehend unbesehen akzeptieren.“
- „Vielfalt von legalen Online-Angeboten fördern“: Als letzten Punkt fordern die Verfasser des Positionspapier einfachere Lizenzierungsmöglichkeiten in Europa: „Die Vielfalt von legalen Online-Angeboten muss gefördert werden, indem der Erwerb von grenzüberschreitenden Lizenzen für gewerbliche Anbieter deutlich erleichtert wird.“
Eine Stärke des Positionspapiers ist es, dass sich die Autoren nicht einem „sowohl-als-auch“ oder schwammigen Formulierungen verlieren, sondern klare Standpunkte formulieren. Diese können wiederum die Basis für einen Interessenausgleich mit professionell Kreativen dienen, beispielsweise in einer Neuregulierung im Bereich der Pauschalvergütungen. Hier ist es nämlich so, dass beispielsweise das bestehende System der Geräteabgabe von Seiten der Gerätehersteller systematisch unterlaufen wird, wirksame Schlichtungsmechanismen fehlen. Würde man die Umsetzung des Forderungskatalogs von Seiten der Verbraucherschützer mit einer Verbesserung der Situation im Bereich pauschaler Vergütungen kombinieren, wäre das Ergebnis kein fauler Kompromiss sondern eine echte Win-Win-Situation im Urheberrecht.