Skip to content

#D64KI – Auftaktveranstaltung zur Themenreihe Künstliche Intelligenz ein voller Erfolg

Am vergangenen Samstag begann die Themenreihe zur Künstlichen Intelligenz („KI“) im betahaus in Berlin. 120 Teilnehmer diskutierten einen ganzen Nachmittag lang und arbeiteten in Workshops an Positionen zu ethischen, rechtlichen und technischen Fragen der KI. Bis zum...

Am vergangenen Samstag begann die Themenreihe zur Künstlichen Intelligenz („KI“) im betahaus in Berlin. 120 Teilnehmer diskutierten einen ganzen Nachmittag lang und arbeiteten in Workshops an Positionen zu ethischen, rechtlichen und technischen Fragen der KI. Bis zum Ende des Jahres wird der Verein ein umfassendes Paper und eine weitere Veranstaltung anbieten. Alle Mitglieder sind herzlich zur Mitarbeit eingeladen.

Nach einem umfassenden Grußwort der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie (sowie D64-Mitglied!), Brigitte Zypries, und kurzen Beschreibungen der KI aus wissenschaftlicher und technischer Perspektive, folgten vier Workshops.

KI & Ethik aus wissenschaftlicher Perspektive
Prof. Dr. Judith Simon von der Uni Hamburg steuerte zunächst einen Impulsvortrag für den Auftakt der Veranstaltung bei. Darin warb sie u. A. dafür, das Thema aus einer praxisorientierten Sicht zu behandeln, anstatt sich von fernen Visionen einer übermenschlichen Intelligenz ablenken zu lassen. Aus ethischer, erkenntnistheoretischer und schließlich politischer Sicht müssten bereits heute Weichen gestellt werden, denn die KI in ihrer aktuellen sogenannten „schwachen“ Form – also Software, die in eng spezialisierten Bereichen bestimmte intelligente Leistungen erbringt — beginne schon jetzt, unsere Gesellschaft zu verändern.
Im Workshop wurden unterschiedliche Aspekte der KI diskutiert. Ein Aspekt waren menschliche Vorurteile und Verzerrungen, die unbemerkt und ungewollt in die KI einfließen, fester Bestandteil der KI-Systeme werden, und sich dadurch verstärken. Ein anderes Thema war Verantwortung für Software-Entscheidungen: wenn ein KI-System Schäden anrichtet, muss geregelt werden, wer dafür herangezogen werden kann. Als Forderungen an die Politik schlug Prof. Simon am Ende der Session drei zentrale Themen vor: zum einen setzte sie sich dafür ein, Gerechtigkeit und Chancengleichheit als Leitlinie über die politische Entscheidungsfindung zu stellen, zum anderen sieht sie aktuell besonderen Bedarf für politische Bemühungen beim Zugang zu den Datenquellen – als „Rohmasse“ für die KI – und bei der Entwicklung der Kompetenzen, die es braucht, um die Arbeit von KI-Algorithmen überhaupt extern einschätzen zu können.

KI aus der technischen Perspektive
Dr. Dirk Michelsen, Managing Consultant für das deutsprachige Watson Team von IBM, führte mit einem Überblick über die technischen Möglichkeiten und Anwendungsgebiete der Künstlichen Intelligenz ein. Klar wurde, dass insbesondere viele neue Business-Ideen KI verwenden – ohne, dass dieser Aspekt klar ersichtlich wird. So ist der Einsatz z. B. in Spielzeug für Kinder denkbar, ebenso aber auch im medizinischen Bereich, um Behandlungsvorschläge erstellen zu können.

Michelsen betonte, dass IBM mit Watson lediglich die Technik bereitstellt, es obliegt der Kundin bzw. dem Kunden, wie die KI eingesetzt wird. Künstliche Intelligenz sei, so Michelsen, erst einmal ethisch neutral. Im Workshop wurde deutlich, dass die Zukunft der KI kaum vorherzusagen sei. Realistische Ausblicke liegen bei nur wenigen Jahren.

KI & Datenökonomie
Den Input gab Dr. Florian Hoppe, promovierter Informatiker, Gründer und Geschäftsführer des A.I. Start-ups Twenty Billion Neurons GmbH. Eingeführt wurde in den Stand der Technik im “Deep Learning”-Bereich. Deutlich wurde, dass ein neuronales Netz — ebenso wie das menschliche Gehirn — maßgeblich von den Daten abhängt, aus denen es lernt. Daher kommt es neben der Entwicklung der Algorithmen vor allem auf die Datensätze an, die dem Algorithmus zum Lernen zur Verfügung gestellt werden. Das Unternehmen lässt zu diesem Zweck einen eigenen Datensatz erarbeiten.
In der Diskussion wurde deutlich, dass der Zugang zu Rohdaten momentan nicht hinreichend gewährleistet ist und ein Problem bei der Entwicklung neuer Techniken darstellt. Einerseits haben Nutzer momentan nicht die Möglichkeit, Daten aus einem Dienst, den sie nutzen, auch anderen Datenverwertern zur Verfügung zu stellen. Andererseits wurde die Frage erörtert, ob Daten ein geistiges Eigentumsrecht begründen sollten. Diskutiert wurde weiter, wie ein Markt an (nicht personenbezogenen) Daten entstehen kann. Schließlich wurde die Frage erörtert, ob die Nutzung von Rohdaten zu öffentlichen Zwecken sowie im Interesse der Wissenschaft einfacher möglich werden soll.

KI & Ethik
Stephan Noller, Diplom-Psychologe mit Schwerpunkt Kognition und Machine-Learning, Mitglied des Beirats junge digitale Wirtschaft beim Bundeswirtschaftsministerium und Gründer von nugg.ad und ubirch gab in einem Impulsvortrag einen Überblick über die aktuelle Entwicklung von Machine Learning (ML)-Algorithmen, die durch spektakuläre Ergebnisse z.B. in den Bereichen Übersetzung und Bilderkennung, einer exponentiellen Steigerung der verfügbaren Daten und einer stetig wachsenden Vernetzung unserer Umwelt zu einem Internet of Things gekennzeichnet ist. Darauf aufbauend präsentierte Noller einige ethische Fragen der näheren Zukunft: Darf ein Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer seine körperlichen Fähigkeiten durch Implantate erweitert, um effizienter zu arbeiten? Wie reagiert der Home-Care Robot, wenn Oma ihre Medikamente nicht einnehmen will?
In der daran anschließenden Diskussion wurden aus den unterschiedlichsten Perspektiven Grundwerte genannt, die bei der gesellschaftlichen und regulatorischen Gestaltung und Kontrolle von ML- und KI-Technologien sichergestellt sein müssen. Dazu gehört die Autonomie des Individuums, ein Recht auf Widerspruch gegen die Entscheidungen einer KI, Transparenz über die Art und Weise wie Algorithmen entscheiden sowie ein Recht auf Unwissenheit z.B. im Bereich der Genetik. Zusammenfassen lassen sich diese Punkte auf die Abwägung zwischen Freiheit und Selbstbestimmung auf der einen und Effizienz sowie potenziell bessere Entscheidungen einer Maschine auf der anderen Seite. In der Diskussion im Samstag herrschte weitgehend Konsens darüber, dass Freiheit und Selbstbestimmung Vorrang haben müssen. Als Mittel, dies zu erreichen wurden unter anderem das Prinzip der Datensparsamkeit diskutiert. Auch wurde eine Outputkontrolle bei der Regulation von ML- und KI-Algorithmen vorgeschlagen. Damit liesse sich das Problem lösen, dass bei komplexeren Algorithmen oft nicht einmal die Programmierer wüssten, wie eine einzelne Entscheidung zustande kam. Schließlich wurde in der Diskussion auch betont, dass nicht alle ethischen Fragen, die wir uns angesichts des Aufkommens neuer Technologien stellen, genauso neu sein müssen. So hätten sich im Zuge der Industrialisierung bereits zahlreiche soziale Fragen gestellt und zum Entstehen des Sozialstaats geführt. Wir sollten daher aus der Geschichte lernen und bereits ausgehandelte Werte und gesetzliche Regelungen sinnvoll auf die neuen technologischen Entwicklungen übertragen.

Podiumsdiskussion
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion wurde zum einen der Diskussions-, zum anderen der Regulierungsbedarf im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz deutlich. Dabei sollte auf jeden Fall erst diskutiert und dann ggf. geregelt werden, denn zum einen gelte es erst einmal zu prüfen, welche Regelungen bereits bestehen, die sich auf die neuen technologischen Möglichkeiten anwenden lassen. Stephan Noller plädierte bspw. auch im Kontext von KI für das bekannte Prinzip der Datensparsamkeit. Zum anderen wurde deutlich, dass sich viele Aspekte nicht einfach ad-hoc regulieren lassen, sondern aus der KI eine Aufgabe für die Gesellschaft erwächst, zunächst einmal zu diskutieren, welche Grundlagen wir für unser Zusammenleben im Zusammenhang mit der KI legen wollen.

Bezogen auf unseren zukünftigen Umgang mit Daten wies Prof. Simon darauf hin, dass noch nicht einmal geklärt sei, welches Eigentumsverhältnis Menschen in Bezug auf ihre Daten eigentlich hätten: sind Daten wie Autos zu behandeln, die man besitzen und verkaufen könne? Oder gleichen sie eher dem Verhältnis zum eigenen Körper, den man nicht veräußern dürfe? Zudem stellte das Thema Datenökonomie einen zentralen Punkt in der Debatte dar. Florian Hoppe forderte besseren Zugang zu „Open Data“ – also zu den Daten, die in öffentlichen Händen liegen. Das „Trainieren“ neuronaler Netzen (deren Qualität durch die Arbeit mit großen Datenmengen verbessert wird) könne dadurch deutlich vereinfacht werden, und innovative Start-Ups würden ohne finanziellen Mehraufwand gefördert. Prof. Simon fragte dagegen, ob es Aufgabe des Staates sei, für private Unternehmen Daten aufzubereiten, während diese dann daraus entstehende Gewinne privatisieren.

Auch die Forderung nach Transparenz für Algorithmen wurde diskutiert: während Florian Hoppe die Komplexität intelligenter Systeme in den Vordergrund stellte und Transparenz als schwierig darstellte, beharrte Stephan Noller, selbst Unternehmer in diesem Bereich, darauf, dass man es Unternehmen nicht zu leicht machen dürfe, sich hinter dem Argument der Komplexität zu verstecken. Transparenz und das Vermitteln der Funktionsweise von Algorithmen sei machbar, nur sei er überzeugt, dass die Unternehmen nicht freiwillig für mehr Transparenz sorgen würden.

Ausblick
Nach diesem anregenden und inspirierenden Einstand freuen wir uns als D64 jetzt auf die kommenden arbeitsintensiven Monate: Ende des Jahres wird D64 ein umfassendes Papier zur Künstlichen Intelligenz vorlegen. Wer Interesse an der Mitarbeit hat, sollte jetzt Mitglied werden. Ebenso wird im Herbst eine weitere Veranstaltung zur KI stattfinden.

Verschiedene Vergleiche und Anknüpfungspunkte zeigten dabei, dass wir weder am Anfang der Diskussion stehen, noch die einzigen sind, die sich darüber Gedanken machen. In den kommenden Monaten gilt es deshalb, europäische und internationale Regulierungsvorstöße zu beobachten und die ethische Debatte aufmerksam zu verfolgen. Dabei sollten wir zwar einerseits weitere Perspektiven in die Diskussion mit einfließen lassen, um einen möglichst ganzheitlichen Blick für notwendige Regulierungen und deren gesellschaftliche Folgen zu ermöglichen.

Andererseits dürfen wir aber das Ziel, Handlungsempfehlungen an die Politik zu formulieren, nicht aus den Augen verlieren. Ein Empfehlungspapier von D64 kann und wird nicht den Anspruch haben, vollumfänglich die Interessen aller Akteure zu vertreten. Die Empfehlung folgt eher der Absicht, sich für eine Förderung von künstlicher Intelligenz im Rahmen von Gerechtigkeit und Chancengleichheit stark zu machen. Denn ein Punkt wurde in der Diskussion ganz deutlich: wir müssen künstliche Intelligenz nicht als Selbstzweck fördern, oder nur, um „international nicht abgehängt“ zu werden. Vielmehr kann und wird die KI unserer Gesellschaft und jedem einzelnen von uns großen Nutzen bringen – wenn wir denn rechtzeitig die Weichen richtig stellen.

Inhaltliche Mitarbeit: Maria Krummenacher, Jan Kuhlen, Martin Oetting, Lena Stork, Henning Tillmann
Fotos: Sebastian Broch, Alexander Hauser, Nina Wettern

D64-Logo_RGB-Cyberschwarz_Quadrat

D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

Informationen rund um den Verein werden durch den D64 Vorstand freigegeben und von der Geschäftsstelle publiziert.