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Der Digital-Gipfel 2022 – (k)eine Möglichkeit für Beteiligung

Unter dem Leitsatz „Daten – Gemeinsam digitale Werte schaffen“ lud die Bundesregierung am 8. und 9. Dezember zum diesjährigen Digital-Gipfel in Berlin. Über zwei Tage wurde ein Programm aus Vorträgen und Paneldiskussionen zu Fragen rund um den...
Digitalgipfel 2022: (k)ein Aufbruch?. Blogbeitrag. d-64.org

Unter dem Leitsatz „Daten – Gemeinsam digitale Werte schaffen“ lud die Bundesregierung am 8. und 9. Dezember zum diesjährigen Digital-Gipfel in Berlin. Über zwei Tage wurde ein Programm aus Vorträgen und Paneldiskussionen zu Fragen rund um den Bereich Datenökonomie geboten. Ein neuer Spirit, eine agile Zusammenarbeit zwischen Ministerien – vieles wurde angekündigt. Ein berechtigter Zeitpunkt, um sich die Frage zu stellen: Wie viel digitaler Aufbruch steckt denn nun in dieser Bundesregierung?

Kaum Zivilgesellschaft – viel Wirtschaft

Die Teilnehmer:innen des Gipfels kamen vor allem aus der Wirtschaft, der Politik und der Wissenschaft. So nahmen Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesminister:innen wie Robert Habeck, Nancy Faeser und Volker Wissing am Gipfel teil. Der Gipfel sollte als Plattform für die Gestaltung des digitalen Wandels dienen und die digitale Transformation mit allen relevanten Stakeholder:innen voranbringen.

Trotz dieses begrüßenswerten Ansatzes wies Markus Reuter von Netzpolitik.org berechtigterweise im Vorlauf der Veranstaltung darauf hin, dass Akteure aus der Zivilgesellschaft nicht mitgedacht wurden. Infolgedessen haben einige Organisationen, darunter auch D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V., kurzfristige Einladungen für die Teilnahme vor Ort erhalten. Wir freuen uns, dass auch zivilgesellschaftlich-wissenschaftliche und gemeinwohlorientierte Projekte Aufmerksamkeit auf der Bühne erhielten, wie das Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (ZVKI), das beim iRights.Lab angesiedelt ist. Insgesamt blieb die Zivilgesellschaft im Publikum und auf den Panels jedoch stark unterrepräsentiert. Für ehrenamtlich Engagierte fordert D64 daher die Übernahme der Anreisekosten per Bahn und frühzeitige Einladung, um die Teilnahme im nächsten Jahr zu erleichtern.

In zwei Tagen wurde eine breite Reihe an wirtschaftlichen wie auch gesellschaftlichen Themen besprochen. Es ging dabei auf den Panels und in Vorträgen auch um Fragen außerhalb wirtschaftspolitischer Kernthemen: um vernetzte Mobilität der Zukunft, es wurde die Toolbox Datenkompetenz vorgestellt, eine Lern- und Weiterbildungsplattform für leicht verständliche Informationen zu sicherem und verantwortungsvollen Umgang mit Daten. Auf dem Panel „Explainable AI – warum es wichtig ist, Verbraucher:innen künstliche Intelligenz zu erklären“ forderte Carla Hustedt der Stiftung Mercator, dass die Datenökonomie eine politische Gestaltung brauche. Zum neuen Dateninstitut stellte die Gründungskommission ihre Empfehlungen vor und erhielt in der anschließenden Diskussion klares Feedback: Es bedarf jetzt eines raschen Aufbaus und erster Arbeit an Pilotprojekten. Wie dabei die konkreten nächsten Schritte aussehen, ist angesichts des unklaren Gefüges an Kompetenzen, Institutionen und Organisationen aktuell allerdings noch ungewiss.

Bei dem Event, das auf dem Gelände eines ehemaligen Bahnhofs stattfand, konnte man zudem zwischenzeitlich das Gefühl haben, auf einer Mobilitätskonferenz gelandet zu sein – so sehr schien immer wieder der Mobility Data Space im Mittelpunkt zu stehen (ein Datenraum den „schon 60 Unternehmen nutzen“, so der Bundesminister für Verkehr und Digitales).

Kaum Aufbruchsstimmung im Aufbruchs-Event

So wichtig und anregend mancher Beitrag, manche Diskussion oder manche Begegnung im Rahmen des Digital-Gipfels gewesen sein mag: Das gewählte Format war nicht geeignet, einen Aufbruch zu erzeugen. In der Regel wurden auf kurzen Panels „Leuchtturmprojekte“ einzelner Ministerien präsentiert. Es wirkte damit immer wieder wie ein Marketingevent für die Vertreter:innen der Bundesregierung und der Wirtschaft. Wirklicher Diskurs schien unerwünscht und fand nicht statt.

Wir hätten uns gewünscht, die kurzen Diskussionen auf der Bühne hätten mehr Raum für Tiefe in der Thematik zugelassen, welche vielleicht spannende Kontroversen oder neue Erkenntnisse hervorgebracht hätte. Es wäre sinnvoll gewesen, Formate zum Austausch mit Vertreter:innen und Informationsbereiche bzw. -stände anzubieten, um verschiedene Akteure miteinander zu verknüpfen und Informationen unabhängig von Panels zu verbreiten. Beispielsweise konnten die drei Exponate, die Olaf Scholz, Nancy Faeser und Anna Christmann präsentiert wurden, von den Besucher:innen lediglich auf der Leinwand betrachtet werden. Eigene Erfahrung der Projekte und Austausch mit dessen Vertreter:innen war somit nicht möglich. Zur Interaktion bot sich Teilnehmenden nur eine App, um andere Teilnehmende anzuschreiben.

Wirkliche Aufbruchstimmung wollte in den Hallen somit nicht aufkommen. Manche Podien erweckten den Eindruck, in einer Buzzword-Bingo-Session gelandet zu sein. Immer wieder betonten Mitglieder der Bundesregierung: „Wir müssen schneller sein“. Manches Mal wirkte es wie der krampfhafte Versuch, sich selbst Mut einzureden, nicht aufzugeben und den Optimismus zu verlieren; so zu tun, als würde man wirklich an den Erfolg glauben. Es braucht in jedem Fall einen anderen Spirit. Mut zum Diskurs – Mut zum Widerspruch. Auch den Mut, offen übers Scheitern zu sprechen, gemeinsam aus Fehlern zu lernen. Diesen Rat gab auch die estnische Premierministerin Kaja Kallas Deutschland mit auf den Weg.

Der Digital-Gipfel 2022 blieb dieses Jahr damit hinter seinen Versprechen zurück und war eine Vernetzungs- & Informationsveranstaltung, welche große Fragen gestellt hat, ohne sich den gemeinsam Antworten anzunähern.

Was könnte ein besseres Format für die Zukunft sein?

Wie könnte Aufbruch im Rahmen einer Konferenz tatsächlich stattfinden? Ist dieser planbar? Robert Habeck weckte Hoffnungen, weil die Themen der Digital-Gipfel für 2023 und 2024 noch nicht feststünden. Aber wie offen ist die Regierung, neue Wege zu gehen und wirklich mehr Diskurs zu wagen?

  • Werden wir in Zukunft im Rahmen des Digital-Gipfels vielleicht ein Barcamp erleben, bei dem die Agenda vorab noch nicht feststeht und Mitarbeitende aus der Bundesverwaltung die Freiheit erhalten, gemeinsam mit Bürger:innen, Akteuren der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der Verwaltung und der Wirtschaft selbstbestimmt die Themen zu diskutieren, die für sie akut relevant sind?
  • Oder wäre eine Konferenz im Sinne eines Hackathons ein Weg, um mit vielfältigen Akteuren daran zu arbeiten, bei den drängendsten Problemen der Bundesverwaltung gemeinsam Lösungen für zentrale Probleme zu entwickeln?
  • Vielleicht erleben wir in Zukunft einmal im Jahr eine Inventur der Bundesregierung und es wird gemeinsam über ein Kanban-Board diskutiert, das den Status der Vorhaben der Bundesregierung aufzeigt, welche bottlenecks zu überwinden sind und wo Ressourcen anders verteilt werden müssen.
  • Darüber hinaus sehen wir interaktive Formate zu den sieben Plattformen als gewinnbringend, um die Arbeitsstände aus verschiedenen Perspektiven zu diskutieren. Einige der vorgestellten Projekte hatten dieses Jahr keine wirklichen Neuigkeiten. Auch über das Aufbrechen der Struktur der sieben Plattformen lohnt es sich nachzudenken, um die Zivilgesellschaft im Prozess zu beteiligen und konkreter zu berichten.
  • Vielleicht erleben wir auch einen wirklich international ausgerichteten, europäisch orientierten Digital-Gipfel der Bundesregierung, der Aufbruchstimmung erzeugt, indem er klarmacht, dass es nicht darum geht, in Deutschland den Computer neu zu erfinden.

Somit enden die Ideen für einen Neustart des Digital-Gipfels der Bundesregierung selbst mit einem kleinen Buzzword-Bingo. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft ein agiler Spirit den Digital-Gipfel begleitet und die Bundesregierung den Mut entwickelt, wirklich Dinge auf diesem Event passieren und sich entwickeln zu lassen, und nicht ein gut orchestriertes, durchgeplantes Theaterstück zu präsentieren.

AG Digitale Demokratie

Die AG Digitale Demokratie beschäftigt sich mit dem Einfluss der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft und politischen Strukturen. Wir setzen Schwerpunkte auf Desinformation und Plattformen, systemische Fragen sowie Partizipation und entwickeln Leitlinien für eine digitalisierte Demokratie. Für das Superwahljahr 2021 erstellten wir Verhaltensrichtlinien für Parteien im Wahlkampf sowie Leitfäden für Kandidierende zum Umgang mit Desinformation, Fakes und Shitstorms.

Koordination:

Judith Klose ,
Jochen Hettinger