Deutsche Content Allianz versteht ACTA-Abkommen nicht!

In einem beunruhigenden Text hat die Deutsche Content Allianz ihre Position pro ACTA festgehalten. Problematisch ist daran nicht allein, dass sich die Verbandsarbeiter mit keinem Wort zum völlig undemokratischen und von Fachleuten scharf kritisierten Entwicklungsprozess von ACTA äußern. Erschwerend kommt hinzu, dass sie die Grenze zwischen Urheberrecht und Nutzungsrecht an Inhalten verwischen und zudem fast schon beiläufig eine gesamte Generation unter Generalverdacht stellen. Die drei Aspekte legen nahe, dass die Content Allianz das Thema offenbar noch nicht ausreichend durchdrungen hat.

Gerade der Entwicklungsprozess des ACTA-Abkommens sowie die weitreichenden und zugleich diffusen Befugnisse zur Sanktionierung durch Privatunternehmen, die es in Aussicht stellt, sind zentrale Probleme der Vereinbarung. Prof. Dr. Dirk Heckmann, Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und sachverständiges Mitglied des CSU Netzrates, weist darauf hin, dass eine Materie wie das Urheberrecht, die dringend der Reform bedarf, nicht durch die heimliche Entwicklung von internationalen Abkommen zementiert werden darf: „Alle Interessengruppen, auch solche ohne ersichtliche Lobby, sind frühzeitig zu beteiligen. Und wenn es doch einmal Bedarf für diskrete Verhandlung gibt, sollte der Grund hierfür verständlich gemacht werden.“ Diese Probleme grundsätzlicher Legitimation eines Abkommens, welches das Leben von Millionen Menschen rund um den Erdball beeinflusst, ignoriert die Content Allianz offenbar vollständig.

Darüber hinaus demonstriert die Erklärung mangelnde Kenntnis der Kernthemen – die Deutsche Content Allianz vertritt ausschließlich Verwerter von Urheberrechten, jedoch keine Urheber selbst. Inwieweit sie sich damit überhaupt zum Fürsprecher von Urheberrechtsinhabern aufschwingen kann, ist fraglich. Dazu kommentiert Mario Sixtus, als „Elektrischer Reporter“ vielleicht einer der profiliertesten Urheber digitaler Inhalte Deutschlands: „Die so genannte Content Allianz versucht lediglich, ihre veraltenden Geschäftsmodelle als Verwerter zu sichern. Im Interesse der Urheber handeln sie dabei nicht – auch wenn sie das permanent behaupten. ACTA versucht, die Verwerter zu stärken, nicht die Kreativen. Musiker, Autoren, Filmer und Journalisten leiden nicht unter Privatkopien ihrer Werke, sie leiden vielmehr unter Total-Buy-Out-Verträgen, die sie zwingen, nahezu sämtliche Rechte an ihren Werken den Verwertern zu überlassen. Es ist schon ein wenig bizarr, wenn die Verwerter einerseits das Urheberrecht zu einer bloßen Hülle degradieren, während sie sich auf der anderen Seite zu Anwälten der Urheber aufspielen. Was wir brauchen ist eine mutige Reform des Urheberrechts im Sinne der Kreativen und der Nutzer und keine Zementierung des Status Quo im Sinne der Verwerter.“

Und nicht zuletzt stellt die Erklärung Millionen Jugendliche und junge Erwachsene unter Generalverdacht, denen sie andichtet, ohne Unrechtsbewusstsein für digitalen Diebstahl „in die große Welt des Internets entlassen worden zu sein.“ In den letzten fünfzehn Jahren ist die Jugendkriminalität zurück gegangen (PDF). Es gibt keinerlei andere Erkenntnisse, die besagen, dass die Generation, von der die Deutsche Content Allianz spricht, krimineller ist als frühere Generationen. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren die Umsätze der Unterhaltungsindustrie in allen Bereichen stark gewachsen sind. Woher also die These einer kriminalisierten Generation junger Internetnutzer kommt, weiß nur die Deutsche Content Allianz. Leonhard Dobusch, Urheberrechtsforscher an der Freien Universität Berlin und Fellow der stiftung neue verantwortung, bringt es auf den Punkt: „Die Unterhaltungsindustrie hat schlicht nichts zu verlieren, wenn ACTA nicht stattfindet. Die Zivilgesellschaft schon.“

Politisch erfordert diese Stellungnahme umso entschiedeneres Handeln der rechtsstaatlich denkenden und handelnden Politiker, die sich von derart uneinsichtigen Positionen nicht verunsichern lassen. Dazu Mathias Richel, Vorstandsvorsitzender von D64: „Dass große Medienhäuser ihre publizistische Macht und ihren erheblichen Einfluss auf die Politik nutzen, um für dieses Schattengewächs des Hinterzimmerlobbyismus zu kämpfen, ist zwar bedrohlich. Aber es hält uns nicht davon ab, uns weiterhin entschieden dagegen zu stellen.“

3 Kommentare

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    Jörg Fischer

    19. Februar 2012

    Ihr fordert selbst Genauigkeit ein und nennt Sixtus einen „der profiliertesten Urheber digitaler Inhalte Deutschlands“. Was soll das denn sein? Jeder Musiker; Fernsehmacher und Online-Journalist ist doch mittlerweile Urheber digitaler Werke. Und wie hebt sich Sixtus aus dieser Menge hervor?

    Und was soll der Verweis auf den Kriminalitätsbericht, der sich mit Jugendkriminalität allgemein befasst. Jeder, der sich mit Schülern unterhält, weiß, dass der illegale Download bei jungen Menschen heutzutage extrem verbreitet ist. Das zu leugnen, grenzt schlicht und einfach an Lüge (oder extremer Weltfremdheit). Damit verteufelt man die Jugend ja nicht, das sind einfach gelernte Verhaltensweisen, die es zu thematisieren gilt.

    Und die Aussage, dass „in den letzten Jahren die Umsätze der Unterhaltungsindustrie in allen Bereichen stark gewachsen sind“ ist ebenfalls eine Frechheit. Habt ihr den verlinkten Bericht überhaupt gelesen? Da wird ein Umsatzzuwachs der Musikindustrie u.a. mal eben herbeigerechnet, indem man den Verkauf von MP3-Playern in die Statistik reinrechnet. Da freut sich der Musiker doch, dass der Umsatz der „broader music industry“ steigt, weil die mehr Player verkauft, auf denen u.a. die illegalen Downloads seiner Songs abgespielt werden können.

    (Nebenbei, es ist eine große Unsitte, Thesen mit Links auf vielseitige PDFs ohne jeden spezifischen Stellenhinweis zu untermauern, deren Lektüre Stunden dauern würde.)

    Ich sehe die Arbeit der DCA auch kritisch, aber mit Unwahrheiten und Verzerrungen zu arbeiten, um Veränderungen im Urheberrecht zu erreichen, ist unredlich.

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      Dex

      21. Februar 2012

      Jeder weiß auch genauso, dass sich das nicht groß verändert hat, vor zig Jahren tauschte oder kopierte man sich CDs und Disketten auf dem Schulhof und tauschte unter sich, noch früher waren es Mixtapes und Videokassetten.
      Es ist schon verwunderlich, wenn die Medienindustrien seit 1996 graduell immer mehr Sachen durch Lobbyismus illegal gemacht hat, und man sich dann am Kopf kratzt dass Schüler plötzlich ja so „kriminell“ sind.

      Das würde in etwa einer plötzlichen großen Verwunderung ob des großen Kriminalitätsanstiegs gleichen, nachdem es der Deutsche Gärtnerverband geschafft hat Leuten zu verbieten über jedwede Rasenfläche zu laufen mittels hoher Geldstrafen oder Gefängnisaufenthalt.

      Was die Musikindustrie angeht, die Gesamtumsätze (vor allem was Künstler selbst angeht und was mit Konzerten etc. gemacht wird) SIND angestiegen, nur die Verwerter haben dabei (vor allem durch ihre eigene Sturheit) sehr viel an Wert verloren, ohne iTunes was nun eine Marktbeherrschende Stellung inne hat und sogar Konditionen diktiert wären Sie Heutzutage evtl. sogar weg vom Fenster, was dem gesamten Musikmarkt aber nicht so sehr Schaden würde wie das manche Leute oft behaupten.

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    Marcus

    20. Februar 2012

    Die von der Content Mafia verstehen einfach auch nicht, dass man zum Raub-kopieren das Internet nicht braucht. Es braucht nur eine CD, ein USB-Stick, eine Diskette… Jetzt kann man natürlich hergehen und diese Leute wie Zigarettenhändler oder Drogendealer verfolgen. Nur zu, aber lasst die Waffenhändler und Menschenhändler in Ruhe, denn die schaffen Arbeitsplätze! Und für jeden Berufsterroristen eine Waffe gratis! Damit können sie dann die Copy Kids jagen! Echt arm wie hierzulande die Prioritäten gesetzt werden – armes armes Deutschland.

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