Die Förderung demokratischer Kompetenzen im digitalen Zeitalter steht im Zentrum unserer Vision für eine zukunftsorientierte digitale Gesellschaft. Daher setzt sich D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V. für eine grundlegende Neuausrichtung unseres Bildungssystems ein, insbesondere im Bereich der digitalen Bildung. Wir streben nach einem offeneren, flexibleren und demokratischeren Bildungsansatz, der die Lernenden befähigt, aktive und verantwortungsbewusste Bürger:innen in der digitalen Gesellschaft zu sein. Diese Transformation ist nicht nur eine pädagogische Notwendigkeit, sondern auch ein entscheidender Schritt zur Stärkung unserer demokratischen Grundwerte im digitalen Zeitalter. Welche Erweiterungen das aktuelle Bildungskonzept hierfür benötigt, zeigen wir im aktuellen Positionspapier auf.
Forderung Nr. 1: Digitale Kompetenzen für alle, jetzt!
Die Vermittlung von digitalen Kompetenzen muss über die Bedienung von Geräten hinausgehen. Denn die Grundlagen von Digital Literacy zur Beherrschung des Einsatzes von Technologien in ihren individuellen Kontexten sind essenziell für unsere demokratische Gesellschaft. Die Grundlagen der digitalen Kooperations- und Kommunikationsprozesse müssen alltagsbezogen zur Förderung der Demokratiefähigkeit an alle Bürger:innen vermittelt werden.
Damit Lernende ihren digitalen Raum eigenständige und souverän gestalten können, brauchen wir eine neue Offenheit im Umgang mit aktuellen Herausforderungen und einen wertschätzenden Umgang mit Fehlern. Daher fordern wir einen stärkeren Fokus auf offene Bildungspraktiken, die Lernenden den Umgang mit digitalen Herausforderungen und spezifischen Bedürfnissen individuell vermitteln können. Wir müssen ein Bildungssystem schaffen, das Lernende dazu ermutigt, aktive Gestalter:innen ihrer digitalen Umwelt zu werden, statt passive Konsument:innen zu bleiben.
2. Offenheit in der Bildung – auch in der Praxis
Um das Bildungssystem in einer immer vielfältigeren Gesellschaft offen und demokratisch zu gestalten, müssen wir den Bildungsauftrag für alle Bildungsstufen anpassen. Diese Veränderung beinhaltet auch die verstärkte Teilhabe der Lernenden an der Gestaltung ihres Lernwegs.
Wir fordern daher, dass Lernende von Kita, über Schule und Ausbildung bis hin zur Erwachsenenbildung Mitbestimmungsmöglichkeiten erfahren. Denn demokratische Strukturen und der Mut zum Einbringen von Forderungen müssen in allen Bildungsinstitutionen erlebt und eingeübt werden.
Außerdem fordern wir, offene Bildungspraktiken sowie evidenzbasierte Open Educational Resources (OER) verstärkt zu empfehlen und zu fördern. Denn Bildungsmaterialien und -praktiken sind in hohem Maße an einzelne Player in der Bildungslandschaft, insbesondere Verlage, gebunden. Viele dieser Materialien sind aus rechtlichen Gründen nicht individuell anpass- bzw. veränderbar. Durch die Entwicklung von Open-Source- und OER-Bausteinen verringern wir Abhängigkeiten von kommerziellen Anbietern und ermöglichen Transparenz, Zugänglichkeit und einen langfristigen Nutzen für Bildungseinrichtungen und das Bildungssystem.
3. Öffentliches Geld – Öffentliches Gut
Bildungspolitik, die vorausschaut, stärkt Open-Source-Technologien für eine souveräne digitale Bildungsinfrastruktur. Daher empfehlen wir nachdrücklich, dass öffentliche Gelder ausschließlich an Anbieter vergeben werden, die sich verpflichten, ihre entwickelte Software unter einer Lizenz für freie und quelloffene Software zu veröffentlichen. Ebenso sollten Innovationen aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten aktiv gefördert werden, um passgenaue Open-Source-Technologien bereitzustellen und erfolgreich in die Praxis umzusetzen.
Gute Bildung braucht Erfahrung und Kompetenzen, die langfristig aus den Institutionen heraus entwickelt werden müssen. Denn nur wenn auch die Lehrenden in der Wissensvermittlung auf eine sichere Infrastruktur und digitale Expertise zugreifen können, können sie diese auch authentisch weitergeben. Wir fordern daher auch eine verstärkte Vernetzung auf nationaler und europäischer Ebene, um eine autonome und unabhängige digitale Bildungslandschaft zu schaffen. Nur durch eine solche nachhaltige und ganzheitliche Herangehensweise können wir sicherstellen, dass unsere Bildungseinrichtungen mit den rasanten technologischen Entwicklungen Schritt halten und Lernende optimal auf die Herausforderungen einer zunehmend digitalisierten Welt vorbereiten.
4. Verbindliche Finanzierung gewährleisten
Eine zukunftsorientierte Bildungspolitik macht langfristige Zusagen bei der Finanzierung der Bildungsinstitutionen und ermöglicht so Planungssicherheit für alle digitalen Projekte der Träger und Institutionen. Dies gilt gleichermaßen für die Anschaffung von Geräten wie für die zur Umsetzung nötigen Stellen. Die derzeit bestehende Konzentration auf die Anschaffung von Hard- und Software muss sich in Richtung der Aus- und Weiterbildung der Lehrenden sowie dem technischen Support erweitern.
Diese bessere Planbarkeit unterstützt auch Inklusion an Bildungseinrichtungen und ermöglicht geschulten Lehrenden, besser auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen Lernender einzugehen. Durch Fortbildungsangebote kann sichergestellt werden, dass Lehrende die notwendigen Kompetenzen haben, um Lernende mit Behinderungen bedarfsgerecht zu unterstützen. Auch die Nutzung von assistiven Technologien, wie KI-Lesetrainer oder Vorleseprogrammen, kann dazu beitragen, dass alle am Lernprozess teilhaben können.
5. Ethik und digitale Verantwortung
Um fundierte Entscheidungen über die digitale Gesellschaft und den Einsatz digitaler Technologien im Bildungsbereich treffen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sowohl Lernende als auch Lehrende ein umfassendes Verständnis der vielfältigen Auswirkungen der Digitalisierung entwickeln. Ziel ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass technologischer Fortschritt stets im Kontext seiner gesellschaftlichen, ökologischen und ethischen Implikationen betrachtet werden muss.
Alle Bildungsinstitutionen sollten Aspekte digitaler Verantwortung, wie Nachhaltigkeit, demokratische Kompetenzen und wirtschaftliche Grundlagen interdisziplinär vermitteln, um die Lernenden zu befähigen, souverän auf Veränderungen in technologischen und gesellschaftlichen Systemen reagieren zu können. Nur so können wir sicherstellen, dass die Digitalisierung im Einklang mit unseren Werten und zum Wohle der gesamten Gesellschaft weiter entwickelt wird.
Die Forderungen des Positionspapiers flankieren dabei inhaltlich das Jahresthema von D64: Digitalpolitik faschismussicher: Wie schaffen wir eine resiliente Demokratie im digitalen Raum? Mit diesem Themenschwerpunkt leistet D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e. V. im Wahljahr 2024 und mit Ausblick auf die Bundestagswahl 2025 einen Beitrag für mehr Demokratie in Deutschland. Um eine resiliente Demokratie im digitalen Raum zu schaffen, müssen dabei Systeme gestärkt und Menschen befähigt werden.
Das Positionspapier „Freiräume schaffen, Grenzen überwinden: zugängliche Bildung im digitalen Zeitalter“ der AG Bildung von D64 ist in ehrenamtlicher Arbeit entstanden und kann hier heruntergeladen werden: