Hamburg im Jahr des IT-Gipfel – Informatik braucht mehr Aufmerksamkeit!

D64 – Hamburg

Der Informatik mangelt es an Aufmerksamkeit – In Hamburg und in Deutschland.
Das war das Ergebnis der Diskussionsveranstaltung „Hamburg im Jahr des IT-Gipfel – Welchen Stellenwert hat die Informatik?„, zu der D64 ins Betahaus Hamburg geladen hatte.

Rund zwei Stunden lang diskutierten die vier geladenen Gäste – Matthias Schrader, CEO SinnerSchrader AG, Ina Reis, studentisches Mitglied im Fakultätsrat der Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften an der Uni Hamburg, Torsten Otto, Informatik-Lehrer, Sprecher der GI-Fachgruppe SH-HILL und Sanja Stankovic, Co-Founder Digital Media Women – und rund 60 Besucher unter Moderation von Nico Lumma über Probleme und Herausforderungen, vor denen man auch in Hamburg – noch immer! – steht. Die wachsende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der fortschreitenden Digitalisierung scheint auch in Hamburg erkannt worden zu sein, die daraus folgenden Konsequenzen offenbar nicht.
Kürzungen am Lehrstuhl für Informatik der Universität Hamburg führen zu massiven Einschränkungen der Lehre, Schulen fehlt es an personeller und materieller Ausstattung um Informatikunterricht anbieten zu können, die Förderung von Medienkompetenz bei Grundschülern scheitert zum Teil schon daran, dass Schulrechner 15 Minuten oder länger zum Booten brauchen und Lehrer dürfen White-, bzw. Smartboards nicht verwenden, weil sie eine entsprechende Fortbildungsveranstaltung noch nicht besucht haben. Die am Abend geschilderten Probleme waren vielfältig.

Ein zentrales Problem, dass diese Hürden im Bildungsbereich nicht angegangen werden, liege aber auch an der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Informatik und verwandter Wissenschaften. Informatik sei viel mehr als ein Nischenthema, in dem weißbekittelte und sozial isolierte Menschen nachts in dunklen Kellern mit viel Fastfood arbeiteten. Die D64-Forderung nach Informatik als „Ersatz-Fremdsprache“  machte den Vergleich hierbei klar: Auch Latein lernten Kinder nicht, um die Sprache flüssig sprechen zu können. Vielmehr helfe Latein dabei, Transferleistungen in anderen gesellschaftspolitischen Fächern zu ermöglichen. Die Informatik ist hierbei nicht anders: Auch sie kann interdisziplinäre Leistungen erbringen, die in anderen Bereichen als Problemlösungsansatz fungieren und analytische Fähigkeiten von Kindern und jungen Erwachsenen fördern.
Die Informatik aus ihrem Nischendasein zu befreien, müsse zentral bei allen Anstrengungen sein, so eine Forderung des Abends. Das führe dann zu mehr politischem Verständnis und könne somit auch das Bildungssystem nachhaltig positiv beeinflussen.

Matthias Schrader formulierte treffend:

„Wir haben ein Bildungssystem für die Anforderungen des 19. Jahrhunderts, aber das versagt bei den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.“

So standen nach Abschluss der Diskussion Einzelforderungen und Erkenntnisse im Raum, die aber alle in eine Richtung gehen:

  •  Junge Frauen wünschen sich mehr Anregungen bereits in der Schule, sich doch mal die Informatik anzuschauen.
  • Lehrer wissen oftmals immer noch nicht wirklich, was Informatik soll und welcher Nutzen sich dadurch fächerübergreifend ermöglichen ließe.
  • „Bildungsbürgertum“ und das Festhalten an tradierten Erziehungsmethoden und Lernkompetenzen bei Eltern verhindert größeren Stellenwert der Informatik.
  • Die Politik muss sich des Themas endlich stärker annehmen und Lippenbekenntnissen auch Taten folgen lassen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Digitalisierung zu betonen, kann nicht ausreichen. Auch auf das Bildungssystem müssen diese Erkenntnisse übertragen werden.
  • Das Thema muss in allen gesellschaftlichen Bereichen vorangetrieben werden muss, damit die Informatik einen anderen Stellenwert bekommt.

In einer zweiten Veranstaltung sollen diese Forderungen dann noch einmal mit Vertretern der Hamburger Schulbehörden diskutiert werden. Die Einladung zu dieser Veranstaltung erfolgt zeitnah!

2 Kommentare

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  • Antworten

    Jan

    29. Mai 2013

    Vielleicht sollte man das Fach Informatik einfach mal umbenennen um aus der Nerdecke rauszukommen und es schon alleine damit attraktiver machen. Natürlich müssen auch die Inhalte überarbeitet werden und mehr in Richtung Mediennutzung, Medienkompetenz zielen. Das schließt für mich das Lernen einer Programmiersprache mit ein. Nicht um Topprogrammierer auszubilden (dafür ist sicher nicht die Schule zuständig), sondern um das Verständnis für die Technik zu fördern.
    Gleichzeitig müssen die Lehrer dafür besser ausgebildet werden oder neue Unterrichtsformen gefunden werden um das Wissensdefizit vieler Lehrer „auszugleichen“.

  • Antworten

    Herr Rau

    29. Mai 2013

    >Natürlich müssen auch die Inhalte überarbeitet werden und mehr in Richtung Mediennutzung, Medienkompetenz zielen.

    Das habe ich heute anderso schon so ähnlich gelesen. Kommt drauf an, was man will: Informatik oder Irgendwas-mit-Wikis. Dann muss man das Fach aber auch wirklich umbenennen, weil es dann nicht mehr um Informatik geht.

    (Oute mich hier als netzaffiner Informatiklehrer, der beides gern macht, Informatik und Wikis. Aber das sind zwei Paar Stiefel.)

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