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D64 fordert das Bundesinnenministerium auf, keine verfassungswidrigen Gesetze vorzuschlagen!

Die derzeit anstehende Novelle des Telekommunikationsgesetzes scheint von Seiten des Ministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) zur Durchsetzung einer verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaften Wunschliste für massive und unverhältnismäßige Überwachung zweckentfremdet zu werden. Ein durch den...
Sharepic Erik Tuchtfeld: "Wir verschreiben uns der Sicherheit im Netz und stellen uns gegen Hass und Ausgrenzung. Dazu bedarf es nicht der Überwachung aller Bürger:innen!“

Die derzeit anstehende Novelle des Telekommunikationsgesetzes scheint von Seiten des Ministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) zur Durchsetzung einer verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaften Wunschliste für massive und unverhältnismäßige Überwachung zweckentfremdet zu werden. Ein durch den E-Mail-Anbieter Posteo geleaktes Papier gibt Einblick in 15 Forderungen des Innenministeriums, die im Kabinett bereits gescheitert waren. D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt widerspricht diesen Vorhaben vehement.

Identifizierungspflicht für Messengerdienste

Besonders problematisch ist die geplante Identifizierungspflicht für „nummernunabhängige Telekommunikationsdienste“. Demnach müssten E-Mail- oder Messengerdienste generell eine anonyme Nutzung ihrer Dienste unterbinden und die angegebenen Daten, wie Name, Anschrift und Geburtsdatum, sogar unter Vorlage eines entsprechenden Ausweises verifizieren. Dieser Vorschlag stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Nutzer:innen dar, die ihre persönlichen Daten fortan zwingend Facebook, Whatsapp und Google zur Verfügung stellen müssten, und ist zudem ungeeignet, die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern.

Die Möglichkeit, auch anonym an gesellschaftlichen und politischen Debatten teilnehmen zu können, ist darum essenziell für die freie Entfaltung der Meinungsfreiheit und des demokratischen Diskurses. 

Personen, denen es gezielt auf die Begehung von Straftaten im Internet ankommt, können ohne Weiteres auf ausländische Dienste umsteigen, die keine Identifizierung durchführen. Während Strafverfolgungsbehörden also kaum Erfolg dabei haben werden, Personen in E-Mail- und Messengergruppen zu identifizieren, die planmäßig kriminell tätig sind, werden gleichzeitig die persönlichen Daten von Millionen von unbescholtenen Bürger:innen bei privaten Akteuren gespeichert.

D64 erneuert aus diesen Gründen seine Forderung, dass die notwendige Identifizierung von Straftäter:innen im Internet nicht über anlasslose, massenhafte Speicherung persönlicher Daten erfolgt, sondern durch gezielte Maßnahmen gegen Verdächtige, bspw. die anlassbezogene Speicherung von IP-Adressen in Einzelfällen nach richterlicher Anordnung.

Der Vorschlag birgt zudem ernstzunehmende Sicherheitsrisiken. Diensteanbieter zu verpflichten, verifizierte Personendaten wie Geburtsdatum, Name und Anschrift zu speichern, macht die Anbieter zu attraktiven Zielen für Hack-Angriffen. Im Fallen eines Datenlecks oder Angriffes könnten diese persönlichen Daten zudem zu Zwecken des Identitätsdiebstahls missbraucht werden.

Mithilfe für Staatstrojaner

Der Vorschlag des BMI beinhaltet außerdem, bestimmte Dienste zur Mithilfe bei der Implementierung von Staatstrojanern (Quellen-Telekommunikationsüberwachung) zu verpflichten. D64 lehnt den Einsatz von Staatstrojanern im Allgemeinen ab, weil sie notwendigerweise voraussetzen, dass die Sicherheitsbehörden Sicherheitslücken in den Geräten der Bürger:innen verheimlichen anstatt sie zu schließen. Die Umleitung von Datenströmen durch die Telekommunikationsanbieter wird das Vertrauen der Bürger:innen in IT-Infrastruktur massiv beschädigen und im schlimmsten Fall unbeteiligte Dritte treffen.

Datenminimierung als Prinzip aufheben

Das Innenministerium möchte zudem durch diverse, vermeintlich kleine Änderungen an Definitionen das Prinzip der Datenminimierung, wie es in der Datenschutzgrundverordnung vorgeschrieben ist, aufweichen. Derzeit dürfen Telekommunikationsanbieter grundsätzlich nur die Daten verarbeiten, die für die Vertragsdurchführung erforderlich sind. Nach dem Positionspapier soll dies grundsätzlich ausgeweitet werden auf anderen Daten, die nur zu dem erhoben werden, dass sie Sicherheitsbehörden später zur Verfügung gestellt werden können.

Innenministerium verhindert Einschätzung durch Expert:innnen

Neben der Ablehnung in der Sache protestiert D64 auch gegen die Art und Weise der Einbringungen in den Gesetzgebungsprozess. Es handelt sich um kontroverse Vorschläge, die gesellschaftlich diskutiert werden müssen. Dazu gehören unter anderem auch die Sachverständigenanhörungen im Bundestag und die Möglichkeit Stellungnahmen einzureichen. Dass das Innenmininsterium versucht die Vorschläge durch die Hintertür in den Gesetzgebungsprozess einzubringen – jenseits von Sachverständigeangehörungen  – ist ein Verstoß gegen die demokratischen Spielregeln. Auch die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen, die im Übrigen schon unter normalen Voraussetzungen stark verbesserungswürdig ist wird so effektiv verhindert. Um eine angemessene Auseinandersetzung mit den Vorschlägen zu ermöglichen, fordern wir eine zusätzliche Expert:innenanhörung zu den innen- und sicherheitspolitischen Aspekten des TKGs.

Sicherheit braucht keine Massenüberwachung

Auch im Kontext vergangener Gesetzgebungsprojekte, die immer wieder – auch von den entsprechenden Gerichten – als verfassungs- und europarechtswidrig beurteilt wurden, wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Einführung von Staatstrojanern fordert D64 das Bundesinnenministerium auf, keine verfassungswidrigen Gesetze mehr vorzuschlagen.

Erik Tuchtfeld, Mitglied des Vorstandes fasst zusammen:

Wir verschreiben uns der Sicherheit im Netz und stellen uns gegen Hass und Ausgrenzung. Dazu bedarf es nicht der Überwachung aller Bürger:innen!“

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D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

Informationen rund um den Verein werden durch den D64 Vorstand freigegeben und von der Geschäftsstelle publiziert.

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