Berlin, 24. Juli 2025: Der progressive, digitalpolitische Verein D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt kritisiert den geplanten Gesetzesentwurf der niedersächsischen Landesregierung zum Einsatz intelligenter Videoüberwachung, biometrischer Echtzeitidentifizierung auf öffentlichen Plätzen und der biometrischen Auswertung des Internets scharf.
Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender von D64, kommentiert:
Die Berichterstattung zum Gesetzesentwurf lässt Schlimmes befürchten. Die niedersächsische Landesregierung scheint mitten in der größten Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte in der Geschichte der Bundesrepublik eine umfassende Überwachungsinfrastruktur aufbauen zu wollen, die dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. So wurde die biometrische Überwachung des öffentlichen Raums im Frühjahr in Ungarn im Rahmen von Pride-Paraden angekündigt, um friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten zu identifizieren, abzuschrecken und mit Repressalien zu überziehen.
Die biometrische Auswertung des Internets ermöglicht zudem eine umfassende Profilbildung von Personen, die in zeitlicher und räumlicher Hinsicht unbegrenzt ist. Um ihr Ziel einer „Gesichtssuchmaschine“ zu erreichen, müssten die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden sämtliche Fotos im Internet biometrisch klassifizieren. Dabei würde eine Datenbank aller Menschen angelegt, die jemals auf einem Foto im Internet, willentlich oder nicht, abgebildet wurden. Es droht eine Totalüberwachung des öffentlichen Raums, bei der jedes Smartphone zur staatlichen Überwachungskamera wird.
Derzeit ist es völlig unklar, wie dieses Vorhaben mit den hohen verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben vereinbar sein soll. Es droht deshalb jahrelange Rechtsunsicherheit. Besonders enttäuschend ist hierbei, dass ausgerechnet eine rot-grüne Landesregierung das derzeit wohl umfassendste Überwachungspaket auf Landesebene einführen möchte.
Hintergrundinformationen & Fotos
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung hat diesen Montag und Dienstag ausführlich über den Gesetzesentwurf berichtet.
Die geplanten Maßnahmen ähneln stark dem „Sicherheitspaket“, das die Bundesregierung im vergangenen Sommer vorschlug und das sowohl in der Sachverständigenanhörung im Bundestag als auch von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis als grundrechts- und europarechtswidrig eingestuft wurde.
Der Referentenentwurf des CSU-geführten Bundesinnenministerium für eine Neuauflage des Sicherheitspakets wurde gestern von netzpolitik.org veröffentlicht und in einem Gastbeitrag von Erik Tuchtfeld (D64) und Simone Ruf (Gesellschaft für Freiheitsrechte) eingeordnet.
D64 setzt sich im Rahmen der Kampagne „Gesichtserkennung stoppen“ für das Verbot automatischer Gesichtserkennung und sonstiger biometrischer Fernerkennung in der Öffentlichkeit ein. Das gilt sowohl für Systeme zur nachträglichen als auch zur Echtzeit-Erkennung. Darüber hinaus ist D64 auch Teil des europaweiten Bündnisses ReclaimYourFace sowie der weltweiten Kampagne #banbs.