Ein Jahresrückblick im Januar? Ja! Bei der schieren Menge an Vereinsaktivitäten kann man leicht den Überblick verlieren. Gerade für Neumitglieder wollen wir die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2022 bei D64 auflisten, um sich in länger geführte Diskussionen einzufinden oder Bezüge zu vergangenen Projekten zu verstehen. Wir geben damit die Möglichkeit, nachzuschlagen, was passiert ist.
D64 begrüßt Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Login-Falle als Alternative zur Klarnamenpflicht
Ende Januar 2022 hat der Bundesgerichtshofs entschieden, die von Facebook verordnete Klarnamenpflicht – zumindest nach alter Rechtslage – als rechtswidrig einzustufen. Wir unterstützen diese Entscheidung ausdrücklich. Anonymität im Internet ist für viele die Voraussetzung für freie Meinungsäußerung. Nur im Einzelfall, wenn rechtswidrige Inhalte gepostet werden, muss effektive Strafverfolgung möglich sein. Wir sind der Meinung, dass das bereits mit dem bestehenden rechtlichen Instrumentenkasten effektiv möglich ist – mit unserem Konzept der Login-Falle, das die Ampel in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen hat. Ohne die zusätzliche Speicherung von Daten und ohne neue Eingriffsbefugnisse kann die Deanonymisierung von Verdächtigen funktionieren, wenn Polizeibehörden, Plattformen und Telekommunikationsanbieter ihre Anfragen und ihren Datenaustausch optimieren. (Wie genau das funktionieren kann.)
Auch nach der Aufnahme in den Koalitionsvertrag ist das von uns entwickelte Konzept der Login-Falle weiterhin in den Medien vertreten. Die Süddeutsche Zeitung und und die FAZ stellen das Konzept für alle, die nochmal nachlesen möchten, vor. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs, die von Facebook verordnete Klarnamenpflicht – zumindest nach alter Rechtslage – als rechtswidrig einzustufen, hat die Login-Falle zudem erneut auf die Tagesordnung gesetzt (heise, BR). Unsere unterstützenden Position zu dem Urteil des BGH erklärte unser Vorstandsmitglied Erik Tuchtfeld im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI (€).
D64-Frühjahrsempfang
Nachdem unser Neujahrsempfang 2021 aufgrund der Corona-Pandemie leider ausfallen musste, haben wir uns 2022 umso mehr darüber gefreut, einen Frühjahrsempfang am 10. Mai durchführen zu können!
Über 300 Gäste hörten zunächst eine Diskussion zwischen Renate Künast (MdB), Ingrid Brodnig (Jounalistin) und Dr. Markus Richter(Staatssekretär im BMI und Bundes-CIO) zum Thema Hass im Netz und diskutierten danach bis in den späten Abend bei bestem Frühlingswetter im Schatten des Kanzleramts. Falls du nicht dabei sein konntest, gibt es die Diskussion hier zum Nachschauen. Fotos und weitere Eindrücke vom Empfang findest du in diesem Bericht.
D64 auf der re:publica 2022
Viele von uns – möglicherweise auch du – waren im Sommer auf der re:publica zu Gast. Hier ganz kurz eine Auswahl unserer Highlights:
- D64 lädt zum Kennenlernen ein: Meetup am ersten Konferenztag mit ca. 60 Teilnehmenden. Mit dabei langgediente D64-Mitglieder, Digitalpolitik-Promis und einige Interessierte, die uns dort kennenlernen konnten.
- D64 zeigt Präsenz: Talks von D64-Mitgliedern Leonhard Dobusch, Dirk Brockmann, Noah Schöppl und Saskia Esken. Dazu kamen Sessions unserer Beiratsmitglieder Laura-Sophie Dornheim und Felix Reda.
- D64 positioniert sich inhaltlich: Talk von Vorstandsmitglied Erik Tuchtfeld (zusammen mit Teresa Widlok von LOAD) zur #Chatkontrolle. Überraschend große Teilnehmer-Anzahl mit konstruktiver Diskussion bis lange nach dem Talk. Haupterkenntnis: die Chatkontrolle ist ein schlechter Vorschlag, der mit ziemlicher Sicherheit rechtswidrig ist und schlimmsten Fall eine konstruktive Diskussion auf Jahre hinweg blockiert.
Ausführlicher (und mit Bildern) kannst du alles hier nachlesen!
Aktivitäten zur Chatkontrolle
Die Europäische Kommission plant mit der Chatkontrolle die Überprüfung sämtlicher digitaler Kommunikation – also beispielsweise auch verschlüsselter Chatnachrichten – auf Abbildungen von sexualisierter Gewalt gegen Kindern. Das offenkundig grundrechtswidrige Vorhaben spielt den notwendigen Schutz von Kindern im digitalen Raum und den Schutz der Privatsphäre gegeneinander aus. Deshalb haben wir uns mehrfach gegen den Vorschlag positioniert. Unsere ausführliche Stellungnahme findest du auf unserer Website.
Unser Co-Vorsitzender Erik Tuchtfeld hat unsere Position im Rahmen folgender Interviews deutlich gemacht und zeigt auch auf, was effektivere Mittel im Kampf gegen Kindesmissbrauch sein könnten:
Neubesetzung im ZDF-Fernsehrat
Nachdem unser D64-Mitglied Leonhard Dobusch vom ZDF-Fernsehrat in den ZDF-Verwaltungsrat gewechselt ist, wurde im Mainzer Gremium ein Platz frei. Wir freuen uns sehr, dass auf unsere gemeinsame Nominierung mit dem Chaos Computer Club, eco – Verband der Internetwirtschaft und medianet berlinbrandenburg hin, unsere ehemalige Co-Vorsitzende und Expertin für gesellschaftlichen Zusammenhalt Laura-Kristine Krause nachgerückt ist. Unsere ehemaligen Co-Vorsitzenden Henning Tillmann und Marina Weisband gratulieren zur Neubesetzung und ordnen sie hier ein.
D64 Live und in Farbe
Der Rückgang der Corona-Maßnahmen über den Sommer hat es ermöglicht, dass tatsächlich wieder D64-Veranstaltungen vor Ort stattfinden konnten. Seien es die kleinen, aber feinen Stammtische in verschiedenen Regionen oder der gut besuchte Stammtisch in Berlin, der im Sommer sogar auf einer privaten Dachterrasse im Berliner Wedding stattfand. Abgesehen davon fanden auch wieder Stammtische in München, Essen und Freiburg im Breisgau statt.
Podcast
Im Verborgenen länger vorbereitet und 2022 endlich veröffentlicht – D64 hat jetzt auch einen eigenen Podcast! Unter dem Claim „Der Podcast für die Digitale Zukunft“ veröffentlichen Mitglieder von uns in unregelmäßigen Abständen Gespräche mit Vereiensmitgliedern und Digital-Expert:innen. Zu hören gibt es den Podcast überall, wo ihr Podcasts hört und natürlich auch bei uns.
Footprints
Auch die Footprints-Veranstaltungsreihe ging 2022 endlich weiter. Im April waren wir zu Gast bei Julia Kloiber im superrr lab, die gemeinsam mit D64-Mitglied Lea Gimpel (GIZ) ihren Lebensweg vorstellte. Im Juli haben wir uns mit D64-Mitglied Svea Windwehr bei Googleausgetauscht. Am 20. September gab es zum fünfjährigen Jubiläum eine Ausgabe der Superlative: Footprints im Bundestag! Die D64-Mitglieder Verena Hubertz und Anna Kassautzki (beide SPD) sowie Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE) und Misbah Khan (Bündnis 90/Die Grünen) berichteten von ihrem Werdegang und ihrer Arbeit als Digitalpolitikerinnen. Die Plätze waren wie üblich limitiert und rasant ausgebucht.
Positionspapier zu Open Source in der Verwaltung
Positionspapiere sind für unseren Verein das Herz der inhaltlichen Arbeit, da sie direkt aus den AGs kommen und das Expert:innenwissen von unseren aktiven Mitgliedern bündeln. Mit dem Positionspapier zum Einsatz von Open Source als Fundament für die zukunftsfähige digitale Verwaltung ist der AG Open Source wieder ein solcher Meilenstein geglückt. Die Kernaussage: „Wer Open Source auf Lizenzen und Rechte reduziert, ignoriert den eigentlichen Kern des Ansatzes: Transparentes, vernetztes und kooperatives Handeln und Gestalten.“ Das Positionspapier ist bereits in analoger (Papier-)Form an alle Mitglieder demokratischer Parteien des Digitalausschusses des Deutschen Bundestags gegangen.
Mit Bierdeckeln zu mehr Datenschutz
Die AG Datenschutz hat ihre Kräfte gebündelt und in eine größere Kampagne gesteckt: mithilfe von Bierdeckeln, die D64-Mitglieder strategisch in Bars und Szenekneipen platzieren sollen, werden Menschen, die sich bislang noch nicht so viel mit Datenschutz auseinandergesetzt haben, an diesen herangeführt. Über einen QR-Code auf diesem Bierdeckel gelangen sie auf unsere Webseite, wo sie sich zu Fragen wie „Wusstest du, dass Facebook auch ein Profil von dir erstellt, obwohl du keine Nutzer:in bist? Oder dass Datenhändler schon alleine durch deine Mailadresse ein Profil von dir erstellen können?“ informieren und direkte Schritte dagegen unternehmen. Aber keine Sorge, man findet die Infos dazu auch ohne Bierdeckel. Beispielsweise über diesen Link.
Zwei Stellungnahmen zur Digitalpolitik
- Baut APIs, nicht Apps: Den Bericht des ZDF Magazin Royales im Mai, dass die Polizei ihrer Aufgabe der Strafverfolgung im Netz ungenügend nachkommt, haben wir zum Anlass genommen, noch einmal zu unserem Konzept der Login-Falle nachzulegen. Unsere Stellungnahme [Eine Justizschnittstelle für digitale Strafverfolgung](https://d-64.org/eine-justizschnittstelle-fuer-digitale-strafverfolgung/) zeigt: Essenziell sind Standards und Schnittstellen, mit denen das Melden von illegalen Inhalten einfach und automatisiert direkt an die Strafverfolgungsbehörden erfolgen kann.
- Die Ampelkoalition hat im Sommer eine Neufassung der nationalen Digitalstrategie vorbereitet. Doch von einer Strategie kann eigentlich keine Rede sein, denn eine Kombination von Buzzwords ist noch keine Strategie. Die digitale Transformation bedarf weniger marketing-optimierter Einzelmaßnahmen in bestimmten Bereichen des Staates als vielmehr einer Gesamtperspektive, wie wir die Gesellschaft von morgen digital gestalten wollen. Wir haben uns den Entwurf angeschaut und kommentiert.
D64-Superklausur mit neuem Vorstand
Im November 2022 fand dann unsere alljährliche Mitglieder-Klausurtagung in Erkner bei Berlin statt. Nachdem sich das Format 2021 schon als sehr erfolgreich bewiesen hat, sind wir auch dieses Jahr erneut unter dem Motto #D64Klassenfahrt für drei Tage ins schöne Brandenburg gefahren. Inhaltliches Highlight der Veranstaltung war unser eintägiges Barcamp, bei dem über 100 anwesende D64-Held:innen alte Inhalte neu diskutiert haben, neue Projekte skizziert oder sich in Skillshares zu Entwicklungen im Bereich neuer Software und Advocacy ausgetauscht haben. Natürlich durfte bei so einer Klassenfahrt das Vereinsleben nicht zu kurz kommen, weshalb Karaoke- und Kegelpartys und ein Pubquiz bis weit in die Morgenstunden reichten. Eine Zusammenfassung mit Bildern haben wir natürlich auch geschrieben. Diese kannst du hier online nachlesen.
Unsere Satzung sieht zudem vor, dass wir jedes Jahr eine Mitgliederversammlung durchführen, auf der auch alle zwei Jahre ein neuer Vorstand gewählt wird. Nachdem Henning Tillmann und Marina Weisband die letzten Jahre unseren Vorstand als Co-Vorsitzende geprägt haben, wollten sich beide 2022 aus dem aktiven Vereinsvorstand zurückziehen. Sehr emotional fiel entsprechend die Verabschiedung der beiden aus. Doch lange war der Verein dann nicht ohne Vorstand, denn direkt im Anschluss wurde ein neuer neunköpfiger Vorstand gewählt. Dieser besteht jetzt aus Anne Schwarz und Erik Tuchtfeld als neue Co-Vorsitzende, Ralf Jäger als Schatzmeister und sechs weiteren Mitgliedern des Vorstands. In alphabetischer Reihenfolge sind das: Anna Lob, Bendix Sältz, Lena M. Stork, Monika Ilves, Philipp Marten und Verena Holtz. Wir gratulieren nochmal ausdrücklich. Unsere Pressemitteilung von findest du hier.
D64 im Fediverse
Auf der Superklausur beschlossen, direkt am selben Tag noch umgesetzt und am Abend allen Mitgliedern zur Verfügung gestellt: nachdem Twitter seit der Übernahme von Elon Musk in ungewisse Fahrwasser geraten ist, hat D64 eine eigene Mastodon-Instanz für Mitglieder eröffnet. Unter d-64.social steht Vereinsmitgliedern seitdem ein Zugang ins Fediverse zur Verfügung. Nach wie vor keine Ahnung, worum es geht und was das alles heißen soll? Vereinsmitglied Steffen Voß hat alles wichtige zusammengefasst.
Positionspapier der AG Startup-Förderung
Kurz vor Abschluss des Jahres wurde das zweite größere Positionspapier druckreif: „Das Potenzial der Vielen heben: Förderlücken in der Startup-Förderung schließen“ heißt das Positionspapier der AG Startup-Förderung, in dem sich die AG kritisch mit der im Juli 2022 beschlossenen Startup-Strategie der Bundesregierung auseinandergesetzt hat. In drei Abschnitten befasst sich das Positionspapier mit den Themen „Förderung nicht-akademischer Gründungen von Startups“, „Sozialer Aufstieg durch Gründung“ und mit „Gründungen von Menschen mit Migrationsgeschichte fördern“. Die AG war seitdem sehr umtriebig und hat das Positionspapier seitdem in diversen Kontexten einer interessierten (Fach-)Öffentlichkeit vorgestellt. Das ganze Positionspapier haben wir in gekürzter Fassung als Blogpost veröffentlicht, wo man selbstverständlich auch die Komplettfassung als PDF findet.
Digitalgipfel der Bundesregierung
Auch 2022 hat die Bundesregierung zum sogenannten „Digitalgipfel“ eingeladen, einem Hybriden aus Konferenz, Messe und Bundesdigitalschau. Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen hatten wir im Vorfeld kritisch angemerkt, dass hauptsächlich wirtschaftliche Interessensverbände und Unternehmen als Teilnehmende eingeladen wurden. Manchmal hilft so ein kleiner öffentlicher Aufschrei, denn in Folge durften wir mit acht D64-Mitglieder auch an dem Event in Berlin teilnehmen. Warum wir am Ende aber doch relativ ernüchtert waren und uns hoffen, dass das Event im nächsten Jahr anders abläuft, haben wir in einem Blogpost zusammengefasst.
Checkliste zur Chatkontrolle
Die Chatkontrolle war am Ende des Jahres eines der bestimmenden Themen für uns. Der dahinterliegende Entwurf der EU-Kommission zur CSA-Verordnung sorgte immer wieder für Ärgernisse und Verwirrung. Um dieser ein bisschen entgegenzukommen und die üblichen falschen Vorurteile und Argumente für die Chatkontrolle etwas aus dem Weg zu räumen, haben wir eine kleine Argumentationshilfe verfasst. Diese sammelt die wichtigsten Argumente für die Chatkontrolle und stellt ihr die wichtigsten Argumente dagegen direkt gegenüber. Schau doch mal vorbei, wenn du ein bisschen argumentatives Futter für die kommende Diskussion zur CSA-VO brauchst!
Das war also 2022
Ein wirklich ereignisreiches Jahr mit vielen unterschiedlichen Themen und Aktivitäten im Verein. De gute Nachricht: es sieht nicht so aus, als würde es 2023 weniger werden. Auch in diesem Jahr braucht die Politik und die Öffentlichkeit starke Positionen aus der Zivilgesellschaft. Wir beraten gern, legen den Finger in Wunden, zeigen konstruktiv Verbesserungen auf und gestalten mit unseren Positionierungen proaktiv die Digitale Transformation.
Doch das geht nur mit Unterstützung durch Spender:innen und Mitglieder. Wenn dir gefällt, was wir im letzten Jahr alles erreicht haben, freuen wir uns über deine Unterstützung! Am effektivsten sind für uns dabei zwei Wege: hier kannst du Vereinsmitglied (mit Zugang zum digitalen Vereinsheim, Vorabinformationen zu wichtigen digitalpolitischen Themen und einem großen Netzwerk aus führenden Expert:innen der Digitalisierung) werden oder uns alternativ finanziell unterstützen. Beide Wege kommen bei uns an und helfen, auch 2023 wieder zu einem erfolgreichen Jahr zu machen.